Basler Zeitung

16.05.2017

Randnotiz

Dumm und kriminell

Von Eugen Sorg

Die menschliche Intelligenz ist bekanntermassen ungerecht verteilt. Neben einer Minderheit von Hochbegabten existiert eine Mehrheit von durchschnittlich Schlauen und ein beachtlicher Rest von intellektuell Unterbegabten. Was laut Studien für die meisten Gesellschaften gilt, ist auch für soziale Sondergruppen wie die Kriminellen gültig, ausser dass hier die Schwachbegabten noch zahlreicher versammelt sind als in der Normalbevölkerung. Es gibt brillante und eiskalt agierende Verbrecher wie Bernard Madoff, der mit seinem finanziellen Schneeballsystem Banken, Stiftungen, Privatanleger, Top-Experten jahrelang getäuscht und 50 Milliarden Dollar ergaunert hat. Und es gibt viele geistig unterbelichtete Delinquenten, überfordert damit, Probleme methodisch anzugehen, und deren Gier die Fähigkeit zur Risikobeurteilung weit übersteigt.

Zu Letzteren gehört sicher James Molloy, ein 29-jähriger Mann aus Liverpool, dem es irgendwie gelungen war, das australische Bankkonto einer Technologiefirma zu hacken. Nach diesem ersten erfolgreichen Schritt fällte er eine Reihe Entscheide, über deren Dummheit man nur den Kopf schütteln kann. Er überwies von der gehackten Firma 450 000 britische Pfund auf sein Privatkonto, das er unter seinem richtigen Namen bei derselben australischen Bank eröffnete hatte. Darauf begab er sich auf eine zweitägige Shoppingorgie in Londons Luxusboutiquen. Er erwarb diverse Rolex-Uhren, Chanel-Handtaschen, Diamant­ringe, feine Anzüge bei Harrods. Die fünf schicken Wagen, die er kaufen wollte, darunter ein Mercedes für 43 000 und ein Porsche Cayenne für 102 000 Pfund, wurden nicht mehr ausgeliefert, da die australische Bank den Betrug sofort bemerkt hatte. Molloy wurde zur Fahndung ausgeschrieben und musste mitsamt seinen Chanel-­Handtaschen untertauchen. Ein paar Monate später machte er seinen vorläufig letzten Fehler. Er war aufgefallen, als er in Liverpool unter falschem Namen einen neuen Pass beantragte. Die Polizei verhaftete ihn noch im Passbüro. Die Leser der Boulevardmedien deckten James «The Genius» Molloy mit erbarmungslosem Spott ein. Dummheit ist nicht Schicksal, vorausgesetzt man sieht ein, dass man dumm ist. Molloy hat zweieinhalb Jahre Zeit, in seiner Zelle darüber nachzudenken.

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