Basler Zeitung

16.02.2016

Randnotiz

Dada lebt

Von Eugen Sorg

Vorletzte Woche machte ein «Universitäts-Professor» namens Thomas Strothotte mit einem Beitrag zur Integrationsfrage in der Zeitauf sich aufmerksam. Er forderte die Einführung von Arabisch als Schulsprache an deutschen Bildungsstätten. «Spielerisch» gelehrt im Kindergarten, bliebe es Pflichtfach bis zum Abitur. Damit würde Deutschland anerkennen, «ein Einwanderungsland und eine mehrsprachige Gesellschaft zu sein». Und um den integrativen Umgang «auf Augenhöhe» zwischen deutschen und Einwandererkindern noch zu vertiefen, sollte in den oberen Klassen Englisch die Unterrichtssprache sein. Begründung: Beide Gruppen beherrschten es nicht.

Bildungspolitiker aller Parteien und die Qualitätsmedien reagierten besorgt bis beherzt ablehnend auf den Vorschlag des bis anhin unbekannten «Bildungsexperten» Strothotte. «Nicht zielführend», so der Obmann der Unions-Fraktion im Bildungsausschuss des Parlaments, «ein völlig falsches Signal». Das Arabische sei als Wahlfach an Schulen zwar «dringend zu ergänzen», so der Bildungsfachmann der SPD-Fraktion im Bundestag, als Pflichtfach jedoch ungeeignet, da in «die Irre» führend. Der Bildungsexperte der Grünen wiederum, ein gebürtiger Türke, warnte: «Finger weg davon!» Priorität müsse die «gezielte Investition zur Förderung des Spracherwerbs in Deutsch» haben. Und die elitäre FAZ verspottete die von keinerlei Wissen oder Nachdenken getrübte Vision Strothottes als «eine Unterwerfung des Verstandes unter das Drauflosreden» und rechnete vor, wie viele Lehrstühle nötig wären, um die Hunderttausenden von Lehrern auszubilden, würde Arabisch Pflichtfach.

Keiner der staatstragenden Kritiker hatte hingegen erwogen, dass man es mit einem Jux zu tun haben könnte. Vielleicht war Strothotte, Computergrafik-Spezialist aus Kanada und Präsident einer privaten Fachhochschule in Hamburg, bloss ein lustiger Geselle, der mit dem kurz vor Aschermittwoch erschienenen Artikel einen Beitrag zur Faschings­saison leisten wollte? Übte er hintersinnige Kritik an Merkels aberwitziger Willkommenskultur? Oder platzierte er einen Coup zum Dada-Jubiläum? Deutschland hat das Wagner’sche Erlösungs­dröhnen, die Gesinnungsethik und den Heiterkeitsbefehl «Es darf gelacht werden» hervorgebracht. Aber Humor ist keine deutsche Erfindung.

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