Basler Zeitung

23.08.2013

Die ungerechtfertigte Angst der Umweltaktivisten vor Fracking

Das grüne Panikorchester

Von Eugen Sorg

Spätestens seit der Veröffentlichung des Buchs «Die Grenzen des Wachstums» vor 40 Jahren wabert die Angst vor einem terminalen Lichter­löschen durch die westlichen Gesellschaften. Die Ressourcen der Erde (Erdöl, Kohle und andere) würden, prophezeite die Schrift, in absehbarer Zeit erschöpft sein, ein zivilisatorischer Kollaps wäre unvermeidlich. Es sei denn, es gelänge der Menschheit, ihre Gefrässigkeit zu mässigen und ihre Vermehrungsfreude zu bremsen. Diese Botschaft des intellektuell erlauchten Club of Rome traf interessanterweise auf ein empfängliches Publikum und versetzte dem bis anhin unbekümmerten Fortschrittsglauben einen Dämpfer.

Apokalyptisches Sinnieren, Technologiefeindlichkeit, ethnologische Romantisierung von ursprünglichen Dschungelvölkchen, die in weisem Einklang mit der Natur lebten, hielten Einzug in den Diskurs der wohlhabenden, aufgeklärten Westler. Solche Themen inspirierten die entstehende Umweltbewegung, und es bildete sich eine ökologistische, grüne Weltanschauung heraus, deren Einfluss längst über die Aktivistenzirkel hinausreicht und zum Mainstream geworden ist. Doch die Prognosen des Club of Rome und anderer Endzeitorakel über eine tödliche Energieverknappung waren falsch. Riesige neue Funde und vor allem die neue Technologie des Fracking, des Herauspressens von Öl und Gas aus Schiefersegmenten, garantieren die Energieversorgung und die Sicherung des Wohlstands auf lange Zeit.

In den USA, wo Fracking seit Jahren betrieben wird, spricht man von einer eigentlichen Energierevolution. Jedes Jahr werden 10 000 neue Bohr­löcher eröffnet. Experten rechnen damit, dass das Land bald Saudi-Arabien und Russland als grösste Ölproduzenten überholen und in zwei Jahrzehnten energieautonom sein wird. Die Ölbonanza schwemmt Steuergelder in die klamme Staatskasse, schafft Arbeitsplätze, senkt Stromrechnungen. Schon jetzt ist der Gaspreis dreieinhalb Mal niedriger als in England, wo Premierminister Cameron erst vor drei Wochen verkündet hat, dass man mit dem Fracking beginnen will.

Der Bedeutungsverlust des Nahen Ostens als für den Westen existenziellen Öllieferanten wird die politische Weltkarte verändern. Die Gefahr von Rohstoffkriegen wird sich langfristig verringern, weil auch in China (baut noch jeden Tag ein neues Kohlekraftwerk), Indien (baut noch mehr), Israel oder England Schiefergas liegt. Iran werden die Mittel fehlen, um die Mission als grösster Terroristensponsor weiter zu erfüllen. Saudi-Arabien wird nicht mehr weltweit Moscheen, Koranschulen und fundamentalistischen Islam finanzieren können. Das chavistische Venezuela wird seinen Support für marxistische Guerillas und antikapitalistische Umtriebe einschränken müssen.

All das freut den normalen westlichen Citoyen und müsste sogar einen Grünbewegten zufrieden stimmen. Vor allem wenn man weiss, dass beim Verbrennen von Gas halb so viele Russpartikel emittieren wie bei Kohle. So hat der Schiefergasboom in den USA zur Reduktion des CO2-Ausstosses von zwölf Prozent unter das Höchstniveau von 2007 geführt. Das als neoliberale Dreckschleuder gescholtene Land erfüllt so das Kyoto-Protokoll für Klimaschutz wie nebenbei, ohne es je unterschrieben zu haben. Kohle verkaufen die USA den Deutschen, deren illusionärer Klima-Weltrettungsversuch mit Windrädern, Sonnenzellen und Abschalten der Atomkraftwerke unbezahlbar teuer wird.

Trotzdem machen die Ökoaktivisten mobil. Eben forderte die Grüne Partei Schweiz ein Verbot der Gasgewinnung durch Fracking (auch im Schweizer Boden lagern Vorkommen), und das friedliche Städtchen Balcombe im Süden Englands kam in die Schlagzeilen, weil es von Fracktivisten heimgesucht wurde, unter ihnen die Punkschneiderin Vivienne Westwood und eine grüne Parlamentsabgeordnete. Sie blockierten die Zufahrt zu Bohr­löchern, wo angeblich Frakturierung betrieben wurde. Es waren aber konventionelle Ölbohranlagen, was den Elan der Protestierer nicht bremste. Genauso wenig wie Grüne davon beeindruckt sind, dass Fracking seit Jahren eine sichere Abbaumethode ist. Hunderttausendfach praktiziert, von Behörden und Wissenschaft periodisch überprüft, an strengen Umweltschutzgesetzen gemessen und verfolgt vom Sperberblick argwöhnischer Ökoaktivisten: Weder wurde das Grundwasser vergiftet, noch gab es Erdbeben, noch gelangten chemische Emissionen in die Luft. ­Und der Wasserverbrauch aller Frackings von 2012 in Kalifornien war gleich hoch wie jener der Golfplätze des Staates in einem halben Tag.

Unbeirrbar und wider alle Evidenz beschwören die Grünen weiterhin die Gefährlichkeit der Methode. Denn der Ökologismus ist ein quasireligiöser Umzug mit totalitären Einsprengseln, ein Rezyklat aus den gescheiterten grossen Heils­bewegungen der letzten 60 Jahre: Marxismus, Dritte-Welt-Solidaritätsbewegung, Radikalfeminismus. Opfer und potenzielle Erlöserinstanz sind nicht mehr das Proletariat oder der antikoloniale Kämpfer oder die Frau, sondern der Planet Erde, das beseelte Wesen Gaia. Und deren Feind ist der Mensch an sich, seine Gier, seine Unersättlichkeit, seine Lebenslust. Er isst Fleisch, duscht zu lange, dreht die Heizung auf, lässt das Licht brennen, fliegt sinnlos in der Welt herum, beutet natürliche Ressourcen aus. Er ist der «Krebs des Planeten» und «überhört den verzweifelten Schrei der Erde». Seinetwegen steigen die Ozeane, schmelzen die Polarkappen, ersaufen die Eisbären. Der Mensch ist das Grundübel, er lebt im Zustand der Sünde, und nur wenn er innehält und umkehrt, kann der Untergang der Welt, die letale Vergewaltigung von Gaia noch aufgehalten werden.

«Einer Gesellschaft überreichlich billige Energie zur Verfügung zu stellen», schrieb 1978 Paul Ehrlich, einer der Vordenker der Grünen, «ist ­dasselbe, wie einem schwachsinnigen Kind ein Maschinengewehr in die Hand zu geben.» Die Grünen sind nicht gegen Fracking, weil sie denken, es funktioniere nicht. Sondern weil sie Angst haben, dass es funktioniert.

eugen.sorg@baz.ch

Der Wasserverbrauch aller Frackings von 2012 in Kalifornien war gleich hoch wie jener der Golfplätze des Staates in einem halben Tag.

Nach oben scrollen