Die Weltwoche / Eugen Sorg

08.07.2004

Der Erzieher des Herzens

Wem Gustave Flaubert nicht aus der Seele spricht, der hat keine. Das mag übertrieben klingen, ist aber genau so. Kniefall vor dem grössten Lebensretter der Weltliteratur.

Immer wenn die Sache wirklich ernst wurde, wenn man anfing, sich gegenseitig Geheimnisse anzuvertrauen und sich mit diesem leicht blöden Ausdruck der Verliebten in die Augen schaute, kam ich früher oder später auf Flaubert zu sprechen. Ich redete von ihm, wie ich von anderen sehr guten Freunden redete, welche die Frau nun alle kennen lernen würde. Mehr noch, wenn sie bald darauf ein Exemplar der «Madame Bovary» von mir bekam (keine der Beschenkten hatte vorher jemals ein Buch von Flaubert gelesen), hatte ich das Gefühl, ihr ein Teil meines Herzens zu offenbaren.

Aus kühler Distanz betrachtet, dünkt mich dieses Verhalten etwas lächerlich. Nicht nur weil im Laufe meiner Beziehungsbiografie mindestens schon drei oder vier derartige Flaubert-Übergaben stattgefunden haben und man schon beinahe von einem Ritual oder gar einer Masche sprechen könnte. Und auch nicht nur weil es wenig überzeugend scheint, der neuen Geliebten sein Innerstes zu zeigen, indem man ihr ein Buch gibt, das vor 150 Jahren geschrieben wurde und welches in jeder Buchhandlung von jedem Idioten gekauft werden kann. Sondern vor allem weil ich Männern, die einer Frau einen Roman schenken, eigentlich misstraue. Ich weiss nicht warum, aber ich muss dabei unweigerlich an Schleimer denken, an sissihafte Wichtigtuer. Und trotzdem ahne ich, dass ich gleich reagieren könnte, sollte es irgendwann wieder einmal so weit sein.

Unbestechlich wie der Tod

Manche Bücher schlagen direkt ins limbische System. Ähnlich wie bestimmte Filme oder aussergewöhnliche Begegnungen. Sie verursachen körperliche Reaktionen ­ Schauder, Gänsehaut, Zittern, Weinen. Sie gehen buchstäblich unter die Haut. Während der ganzen Lektüre der «Bovary» zum Beispiel hatte ich das Empfinden, als ob mich eine helle Energie durchströmte, als fände zwischen mir und dem Text eine Art psychochemische Verschmelzung statt. Ich konnte nicht mehr unterscheiden zwischen den Sätzen und den Bildern, die sie in mir auslösten. Die Worte schienen beseelt und aus sich heraus zu leuchten. Ich fühlte mich leicht, glücklich, voller Leben. Es war wie Fliegen. Es war Magie.

Natürlich lag dies auch an mir selbst. Ich hatte damals noch viel mehr Zeit zu verschwenden und war bereit, mich zu verlieren. Aber es lag auch an der grossen Geschichte von der jungen, schwärmerischen Emma Bovary, die ihren Ehemann Charles, einen gutmütigen, einfältigen Provinzdoktor, betrügt und schliesslich Selbstmord begeht. Und an den präzise, eiskalt gezeichneten Figuren. An den Dialogen, so plastisch, dass man sie hören konnte. Am stoischen Humor, der dem ganzen Werk als doppelter Boden eingezogen ist und der in tragischen Episoden (wie zum Beispiel in derjenigen von der stümperhaften Operation am Klumpfuss des Stallknechtes Hippolyte) zu erschütternder, hanebüchener Komik führt. Es lag an der Sprache, die schlicht war wie die Wahrheit, anschaulich wie Grossaufnahmen, erregend wie Musik, unbestechlich wie der Tod. Und es lag vor allem daran, wie all dies auf wundersame Weise zusammengefügt worden war. Es lag am Stil.

Wie ich später las, hatte sich Flaubert immer wieder dahingehend geäussert, dass beim Schreiben «nichts ausser dem Stil» Bedeutung habe. Damit meinte er, dass es für jede Sache eine einzige und absolute Art gebe, sie auszudrücken. Stil ist das Wesen der Dinge, und er war besessen davon, das perfekte Wort, die vollkommene Formulierung, die endgültige Komposition zu finden. Seine Manuskripte sind ein undurchdringliches Dickicht voller durchgestrichener, neu hingekritzelter, wieder eingeschwärzter Zeichen. Er sass bis zu vierzehn Stunden täglich am Schreibtisch, ächzend auf dem Nagelbrett der Kunst, leidend «am Schrecken des Stils». «Ich bin der unscheinbare und geduldige Perlenfischer, der in die tiefsten Tiefen taucht und wieder hochkommt mit leeren Händen und blauem Gesicht.»

Mit 28 hatte Flaubert sein erstes längeres Werk beendet, «Die Versuchung des heiligen Antonius», und er trug es seinen zwei engsten Freunden vor, Maxime du Camp und Louis Bouilhet. Die Lesung beanspruchte vier Achtstundentage. Er solle die Erzählung, so das abschliessende Urteil der beiden Zuhörer, in den Ofen schieben und nie mehr davon reden. Flaubert reiste in den Vorderen Orient, kehrte nach eineinhalb Jahren zurück an den Schreibtisch, dick geworden, das Haupthaar stark gelichtet, nachdem er sich in einem Kairoer Bordell die Syphilis geholt hatte, und begann mit dem Kampf um die «Bovary». «Ich schreibe dieses Buch wie ein Klavierspieler mit Bleikugeln an jedem Fingerknöchel.»

Nach fünf Jahren ­ «Ich will lieber wie ein Hund krepieren als die Niederschrift eines Satzes, der noch nicht reif ist, um eine einzige Sekunde beschleunigen» ­ wurde es fertig und erschien 1856 als Fortsetzungsroman in der Revue de Paris. Die Herausgeber der literarischen Revue, zwei Schriftsteller, einer davon Freund Maxime du Camp, hatten Flaubert in einem Brief bekniet, in «Streichungen» einzuwilligen, ansonsten «Du Dich völlig kompromittierst […] mit einem verworrenen Werk». Flaubert bewahrte den Brief auf und schrieb auf dessen Rückseite ein Wort: «gigantisch». Zu den «nutzlosen» Passagen hatten die Herausgeber unter anderem diejenigen von Emma Bovarys Hochzeit, von der Landwirtschaftsausstellung und vom Klumpfuss gezählt ­ sie gehören mittlerweile zu den berühmtesten und funkelndsten Stellen der Weltliteratur.

Sex-Droschken

Der zweite Angriff kam von den Gerichten. «Madame Bovary» sollte wegen Obszönität verboten werden. Flauberts radikaler Verzicht auf moralische Bewertung seiner Figuren ­ Emma geniesst den Ehebruch «ohne Gewissensbisse, ohne Unruhe, ohne Besorgnis» ­ erschien gefährlich. Vor allem eine kurze Szene erregte heftigen Anstoss bei Staatsanwalt Pinard. Emma und ihr Liebhaber Léon kurvten in einer Kutsche durch das Städtchen ­ mit verhangenen Fenstern. Flaubert wurde trotzdem freigesprochen, wobei der Fall ein kleines ironisches Nachspiel hatte, als stammte es aus einem seiner Romane. Einige Jahre später deckte jemand auf, dass Pinard unter einem Pseudonym schlüpfrige Verse publiziert hatte.

Der Prozess hatte über Frankreich hinaus ziemlich Beachtung gefunden. In Hamburg beispielsweise wurden in einschlägigen Quartieren bald Droschken für sexuelle Betätigungen vermietet; man nannte sie Bovarys. Dem Buch, Flauberts erster Veröffentlichung, verhalf der Skandal zu grossem Erfolg. Dass Literaturkritiker der «Madame Bovary» jede «Originalität» absprachen, das Buch als «überschwemmt mit Schmutz», als «Misthaufen» heruntermachten, dürfte dessen Umsatz noch gesteigert haben und machte Flaubert mit einem Schlag berühmt. Seine Person wurde zum beliebten Thema in der Pariser Gesellschaft, und auch die Presse widmete sich dem Autor des verruchten Buches. Es wurde erzählt, dass er «das verkrochene Leben einer Kellerassel führt und wie ein Ochse arbeitet», man spöttelte über seinen stilistischen Perfektionswahn: «Es gibt einen Gewissensbiss, der sein Leben vergiftet, der ihn noch ins Grab bringen wird: er hat in Madame Bovary zwei Genitive aneinander gehängt, une couronne de fleurs d’oranger. Das bringt ihn zur Verzweiflung; aber wie man es auch dreht und wendet, es lässt sich nun mal nicht anders sagen…»

Eine seiner Merkwürdigkeiten wurde besonders gerne verhandelt: «Wissen Sie, es gibt bei ihm so genannte Brüllarien, er brüllt sich die Sätze selber vor. Und er donnert so, dass die Nippfiguren auf der Anrichte zittern.» Tatsächlich deklamierte Flaubert seine Texte laut. Einige behaupteten gar, dass sich an nebligen Tagen die Seine-Schiffer vor seinem Haus in Croisset an seiner Stimme hätten orientieren können. Flaubert hörte seine Prosa ab wie ein voll aufgedrehtes Musikstück. Er lauschte auf Melodie und Klang, und der Inhalt konnte niemals wahr sein, wenn der Rhythmus nicht stimmte. «Ein Satz ist lebensfähig, wenn er allen Notwendigkeiten der Atmung entspricht.»

Mit Journalisten redete Flaubert nicht. «Immer wenn man es mit der Presse zu tun hat, muss man sich auf Blödheiten gefasst machen, weil schnell zu sein das einzige Prinzip dieser Herren ist.» Vor den Dummheiten der bourgeois und dem Geplapper in den Salons der classe culturelle suchte er sich zu schützen, so gut es ging. «Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben, aber es brandet eine solche Flut von Scheisse gegen seine Mauern, dass er einzustürzen droht.»

Das aufgespiesste Herz

Bei der Publikation der «Bovary» war er 36 Jahre alt. Er fühlte sich alt («Kaum ist man geboren, beginnt man zu verrotten») und sah aus, wie er für den Rest des Lebens aussehen würde: triefende, traurige Augen, Tränensäcke, Seehundschnauz, gerötetes, leicht aufgedunsenes Gesicht, leicht ungesunder Gesamteindruck. 1858 unternahm er noch einmal eine zweimonatige Reise nach Tunesien. Genau genommen war es weniger eine Reise als eine Form von beschwerlicher Lektüre. Er sammelte Material für sein nächstes Buchprojekt, «Salammbô», eine Art literarische Orientaloper. Danach erhob er sich von seinem Schreibtisch meistens nur noch, um mit Freunden über Literatur zu reden. «Man muss, hören Sie, junger Mann», schrieb er zwei Jahre vor seinem Tod väterlich aufmunternd an seinen literarischen Ziehsohn Guy de Maupassant, «man muss mehr arbeiten. Ich habe inzwischen den Verdacht, dass Sie etwas faul sind. Zu viele Nutten! zu viel Rudern! zu viel Training! Ja, Monsieur! Der zivilisierte Mensch braucht nicht so viel Bewegung, wie die Mediziner behaupten. Sie sind dazu geboren, Verse zu schreiben, also schreiben Sie!»

Eine zeitgenössische Karikatur zeigt Flaubert in Chirurgenschürze, wie er mit einem Skalpell ein blutendes Herz aufspiesst wie eine Trophäe. Neben ihm auf einem Tisch das ausgeweidete Opfer. Bildlegende: «Flaubert seziert Madame Bovary». So wie der Zeichner empfanden auch viele andere seine Romane als unbarmherzig und eisig. Flaubert sei kein «Realist», schrieb einer, sondern ein «Brutalist». Und vom neuartigen Stil, der ohne Rührseligkeit oder Wertungen auskam, schlossen sie auf den Autor. Er musste ein gefühlloses und daher unmoralisches Subjekt sein, wahrscheinlich sogar ein krankes. Hatte nicht dessen Freund Maxime du Camp über ihn geschrieben, dass er unter Fallsucht, unter epileptischen Anfällen, litt? Na also. Was den etwas abschätzigen Vergleich mit der Seziererei betraf, hatte Flaubert, Spross einer Ärztedynastie, keine Mühe. Im Gegenteil. Er bezeichnete die «Bovary» selber als «Werk der Kritik oder vielmehr der Anatomie». Er vertrat vehement die Auffassung, dass der Erzähler auf jegliche Belehrung, Gesinnungsprosa, Menschheitserziehung verzichten müsse. Der Autor müsse vollständig hinter dem Werk verschwinden, «überall gegenwärtig, aber nirgends sichtbar […] wie Gott in der Natur». Seine einzige Tätigkeit sei es, die menschlichen Leidenschaften, egal ob gut oder böse, zu beschreiben. Objektiv wie ein Metzger und empfindungslos wie das Messer selbst, mit dem er das Objekt zerlegt. «Ästhetischer Immoralismus» nannte hundert Jahre später Sartre diese Methode.

Zwar verstrahlt die Schönheit der Flaubertschen Sätze den unterkühlten Glanz klinischer Perfektion. Aber an jeder Stelle, in jedem Moment ist ihr Schöpfer, trotz dessen Forderung nach Unpersönlichkeit und Anonymität, spürbar. «Es gibt eine lateinische Redensart, die ungefähr lautet: «Einen Heller mit den Zähnen aus dem Kot aufheben». Man gebrauchte diese rhetorische Figur gegenüber Geizigen. Ich bin wie sie: ich mache vor nichts halt, um Gold zu finden.» Ich kann halbwegs verstehen, dass jemand von der Lektüre abgestossen sein könnte, wie jene empfindsame Bekannte Flauberts, der er ein Exemplar der «Bovary» überreicht hatte, welches sie nach einigen Tagen dankend wieder zurückgab, schockiert über dieses «scheussliche» Buch. Aber es ist mir im Grunde nicht nachvollziehbar, dass jemand unberührt bleibt.

Säulenheilige

Vor kurzem las ich bei Philippe Djian, dass ihn Flaubert «völlig kalt lässt». Djian ist einer meiner Lieblingsautoren (der frühe Djian). Ich war so erschüttert, dass ich mich sofort innerlich ein wenig von ihm distanzierte, um ihn aber gleich darauf wieder in Schutz zu nehmen. Für ihn als Franzosen, sagte ich mir, ist es nicht so einfach. Flaubert ist in seinem Land ein Nationalheiliger, einer, der von Denkmälern auf einen herunterschaut und der von Staatspädagogen und klugen Brillengestellen verwaltet wird. Ich konnte es Djian nicht verdenken, dass er um eine solche Figur einen Bogen macht. Wer mag schon das Pflichtprogramm. Aber. Irgendwann sollte jeder erwachsen werden.

Es gibt Bücher, die ich sehr gerne lese, deren Autoren mich gleichwohl nicht interessieren. Richard Ford zum Beispiel oder John Irving oder Javier Marías. Ich habe nie einen Gedanken daran verschwendet, wie sie leben und wie sie sind. Bei Flaubert war es anders. Ich hatte von Anfang an ein Gefühl der Nähe und Vertrautheit. Die Vergleiche, die Auswahl der Szenen, die Art, wie er die Figuren beschrieb, wie er die Dinge sah, das meiste haute mich um und leuchtete mir sofort ein. Ich war auch nicht überrascht, als ich von seinen Freundschaften las, die er treu, anhänglich, naiv, grossmütig ein Leben lang pflegte. «Mit Freundschaft ist es bei mir wie mit einem Kamel: einmal in Gang gekommen, kann sie nichts mehr aufhalten.» Ich habe selber die etwas seltsame Vorstellung, in ihm einen Freund zu haben, und immer wenn ich von seinen Büchern rede, merke ich, wie ich persönlich werde.

Kleine Lügen

Zum Beispiel bei «L’éducation sentimentale». Es erschien 1869, und wieder hatte er mehrere Jahre daran geschuftet. «Das Drecksding von einem Roman erschöpft mich bis auf die Knochen… Ich bin hundemüde…» Es fiel nicht nur bei der Kritik völlig durch, sondern auch bei der Leserschaft. Flaubert konnte dies nicht verstehen. Er hielt es für sein bestes Werk, für sein Chef d’OEuvre. Er war zu früh. Erst das folgende Jahrhundert (Marcel Proust, Walter Benjamin u.a.) entdeckte die Grösse des Romans. Es ist die Geschichte von Frédéric Moreau, eines jungen Mannes, der alles verfehlt, was man verfehlen kann, eine Aufgabe, den Sinn, die Liebe, und der am Ende des Lebens feststellt: «Wie glücklich wären wir gewesen.» Es ist das traurigste Buch der Welt. Und eines der schönsten.

Es ist schmuckloser als die «Bovary», noch desillusionierender. Aber ich war glücklich beim Lesen, obwohl ich keine Sekunde vergass, wie niederschmetternd die Geschichte war. Mein eigenes Leben war damals in einer Sackgasse. Ich war geistig festgefahren, mit den falschen Leuten, mit den falschen Ideen. Ich war falsch, nur dämmerte es mir erst, als ich die «Education» las. Wie ein Spiegel führte mir der Roman die kleinen Lügen, den Selbstbetrug, die Heucheleien vor, in die ich selber verstrickt war. Er lachte über mein Geschwätz, über meine grossen Worte, über meine Dummheit. Als ich ihn fertig gelesen hatte, fühlte ich mich leicht. Hat dieses Buch mein Leben verändert? Das klingt fürchterlich pathetisch. Niemand kann sagen, was passiert wäre, wenn ich es nicht gelesen hätte. Aber wahrscheinlich hat es mein Leben verändert.

Gustave Flaubert:

Madame Bovary. Manesse, 1999. 586 S., Fr. 40.20

Lehrjahre des Gefühls (L’Education sentimentale). Insel, 2001. 627 S., Fr. 19.60

Drei Erzählungen. Manesse, 1997. 156 S., Fr. 21.70

Briefwechsel mit Ivan Turgenev, 1863­1880. Friedenauer Presse, 1989. 309 S., über Amazon zu ersteigern.

Briefwechsel mit Guy de Maupassant. Haffmans, 2002. 430 S., über Amazon zu ersteigern.

Julian Barnes: Flauberts Papagei. Goldmann, 2004. 235 S., Fr. 14.80

Gustave Flaubert

Ironiker der Moderne

Eugen Sorg

Der Schriftsteller Gustave Flaubert kam als zweit-ältestes Kind einer fünfköpfigen Arztfamilie 1821 in Rouen zur Welt. Schon als Jugendlicher verfasste er Theaterstücke und Erzählungen wie «Der Büchernarr» oder «Memoiren eines Verrückten». Nach dem Abbruch seines Jurastudiums zog er sich nach Croisset bei Rouen auf das Familienanwesen zurück. Sein erster zu Lebzeiten veröffentlichter Roman, «Madame Bovary» (1857), brachte ihm nicht nur eine Anklage wegen Obszönität ein, sondern gleich auch literarische Unsterblichkeit. Es folgten weitere Romane, u. a. «Salammbô» (1862), «L’Education sentimentale» (1869), «Die Versuchung des Heiligen Antonius» (1874), die Erzählung «Ein einfaches Herz» (1877) oder «Bouvard und Pécuchet» (1881). Letzteres, eine monumental angelegte Satire über die menschliche Dummheit, blieb unvollendet. Flaubert war 1880 über dem Manuskript tot zusammengebrochen.

Während die Jugendschriften ein Erbe der Romantik waren, zeigt das erwachsene OEuvre die von ihm entwickelte charakteristische Erzählweise der unpersönlichen Sachlichkeit. Die Werke sind durch Ironie, schwarzen Pessimismus, höchste stilistische Meisterschaft gekennzeichnet, und seine Figuren spiegeln die «transzendentale Obdachlosigkeit» (Georg Lukács) der desillusionierten Moderne. Seine Tagebücher und ausgedehnten Briefwechsel mit George Sand, Louise Colet, Emile Zola, Guy de Maupassant, Ivan Turgenev u. v. m. geben Einblick in die Arbeitsweise eines der scharfsichtigsten Beobachter des 19. Jahrhunderts sowie in dessen die Literatur revolutionierende Kunstauffassung.

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