Basler Zeitung

11.04.2017

Randnotiz

Der Grenzprediger

Von Eugen Sorg

Am Wochenende vermeldeten die Medien, der islamistische Prediger Hani Ramadan sei im Elsass verhaftet und von der französischen Polizei an die Schweizer Grenze eskortiert worden. Er stelle eine «ernsthafte Gefahr für die öffentliche Ordnung» dar, begründete das französische Innenministerium die Ausschaffung des 58-jährigen Schweizer Bürgers und Leiters des Islamischen Zentrum von Genf. Gut möglich, dass Ramadan über den Landesverweis insgeheim ein wenig erfreut war. Er war der Beweis für seine oft unterschätzte Eminenz. Seine bisherigen Auftritte hatten eher irritiertes Kopfschütteln als Angst ausgelöst. Einmal hatte er die islamische Strafe der Steinigung für Ehebrecherinnen, Schwule und Glaubensabtrünnige als Akt der «Reinigung» gelobt. Oder er verglich den Gesichtsschleier der Frau mit dem Muschelgehäuse, das «die Perle» schützend umhüllt, während die nicht verschleierte Frau wie ein «Zwei-Euro-Stück» sei: «Sichtbar für jedermann, wird es von Hand zu Hand weitergereicht.» Nun schien man seine Bedeutung endlich zu erkennen und zu fürchten. Immerhin gehörte er zum geistigen islamischen Hochadel. Sein Grossvater Hassan al-Banna war der Gründer der Muslimbruderschaft, dessen Schwiegersohn Said Ramadan sein Vater, der fähige und loyale Nachfolger. Die Muslimbruderschaft, heute eine mächtige, global operierende Organisation, ist die Ma­­trix des politischen Islam. Alle radikalen islamistischen Sekten der letzten Jahrzehnte wie Al Qaida oder Hamas gehen auf sie zurück. Al-Banna und Genossen hatten einen eher quietistischen Islam zum revolutionären Kampfprojekt verschärft, zum totalen Jihad, der erst endet, wenn die koranische Utopie weltweit herrscht, rein und perfekt wie zur Zeit des Propheten im 7. Jahrhundert. Das kränkste Vermächtnis von al-Banna und Co., Bewunderer Hitlers, waren neben einem genozidalen Judenhass ein Kult des Todes als «innigster Wunsch» des Gotteskriegers. Die heutigen Selbstmordterroristen sind die gelehrigen Schüler von al-Bannas Lehre von der «Kunst des Todes» und vom «Tod als Kunst». Hani Ramadan hat sich nie von den Visionen seiner Väter distanziert. Frankreich hat den Prediger mit gutem Grund an die Grenze gestellt. Die Schweiz kann das nicht. Aber sie sollte ihn im Auge behalten.

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