Basler Zeitung

02.08.2016

Randnotiz

Expertengemurmel

Von Eugen Sorg

Terroranschläge, Massaker, gewalttätige Eruptionen des Bösen stellen die Ordnung der Welt jäh auf den Kopf und verbreiten Unsicherheit, ­Paranoia und Panik. Es entsteht ein dringendes Bedürfnis nach Erklärung, Trost und Schutz, es schlägt die Stunde derjenigen, die für Ereignisse jenseits des Bekannten und Erwartbaren zuständig sind. Früher waren dies die Schamanen, dann folgten die Priester, heute sind es die Experten. Letztere hatten in den vergangenen Wochen viel zu tun. «Vergleichgültigung» und «mürrische Indifferenz» legte der Grossintellektuelle Herfried Münkler seinen verängstigten Zeitgenossen als Reaktion auf die Attacken radikalislamischer Wüteriche nahe. «Trotzige Gelassenheit», forderte der Kommentator der ARD, «heroische Gelassenheit» gar, so ein melodramatischer Autor der Zeit.

Der italienische Philosoph Franco Berardi wiederum verschrieb als Heilmittel gegen den Terror, dass «wir unseren Mitmenschen Aufmerksamkeit schenken». Denn Islamisten sind «Menschen, die selbst leiden» und denen «wir helfen müssen». Und wie dies in der Praxis aussehen könnte, erläuterte der deutsche Kriminalpsychologe Jens Hoffmann, Leiter eines Instituts für Psychologie und Bedrohungsmanagement. Wenn zum Beispiel jemand mit einer Axt im Zug auftauche, solle man nicht paranoid werden. «Es hilft, wenn man hingeht und höflich fragt, was es damit auf sich hat.» Die Rezepturen der Experten ähneln denjenigen ihrer abergläubischen und illusionistischen ­Vorgänger. Letztere praktizierten murmelnde Geisterbeschwörung und empfahlen Gebete und zerknirschte Reue bei Unheil, Erstere predigen stoische Realitätsverweigerung und ergehen sich in ebenso nutzlosen als auch eitlen Selbstbezich­tigungen wie besagter italienische Philosoph: «Die islamistischen Täter sind Monster, die wir mitgeschaffen haben.»

Offensichtlich sind wir nicht viel gescheiter geworden. In manchen Belangen sogar eher ­dümmer. Auf jeden Fall wäre es keinem unserer Vorfahren je in den Sinn gekommen, auf einen kräftigen, Axt und Krummdolch schwingenden Jihadisten zuzugehen und ihn nett zu fragen, was er mit den Geräten zu tun gedenke. Auf eine solch wahnwitzige Idee kann nur ein Experte der Kriminalpsychologie kommen.

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