Basler Zeitung

30.01.2018

Randnotiz

Miss Kamel

Von Eugen Sorg

Im Königreich Saudi-Arabien herrscht bekanntlich ein besonders rückständiger und kruder Islam. Dies hielt aber nie davon ab, sich des Wissens der westlichen Ungläubigen zu bedienen, wenn es den eigenen Interessen nützte. Westliche Erdöl-Technologie verwandelte den einst trostlosen Karawanenkreuzpunkt innert weniger Jahrzehnte in eines der reichsten Länder der Humangeschichte. Oder Staatsgründer Ibn Saud, Analphabet und stolzer Erzeuger von 42 legitimen Prinzen und geschätzt 125 Prinzessinnen: Gegen Ende seines Lebens sollen zehn Prozent aller Mediziner des Landes, meist ausgebildet im Westen, ausschliesslich und vergeblich mit der schwindenden Kraft der königlichen Lenden befasst gewesen sein.

Pragmatisch ist man auch heute. Beim jüngsten König-Abdulaziz-Kamel-Festival, einem Schönheitswettbewerb mit 30 000 tierischen Konkurrenten, wurden 12 Kamele disqualifiziert. Ihre Ober- und Unterlippen waren mit Botox aufgespritzt worden, ebenso Nasen und Kiefer. Zudem hatte man die Ohren unters Messer gelegt. Die Besitzer hatten der Versuchung nicht widerstehen können, zu den modernsten Mitteln der ästhetischen Medizin zu greifen, um die Schönheit ihrer paarhufigen Lieblinge zu optimieren. Doch was den saudischen Frauen erlaubt ist, die sich in der Öffentlichkeit ohnehin nur verschleiert zeigen dürfen, verstösst gegen das Reglement des Kamelcontests. Miss Kamel kann nur eine Beauty werden, die natürlich ist, wie Allah sie schuf, mit echtem grossem Kopf und echten fetten Schmolllippen, mit echten niedlichen Ohren und mit Höckern, straff ganz ohne Silikonimplantate.

Ob jenes Kamel, das laut Gulf News eine Krise in einer saudischen Familie auslöste, natürlich oder optimiert war, weiss man nicht. Aber es muss ebenfalls von sehr ansprechendem Äusseren gewesen sein, denn es wurde von der Ehefrau geküsst. Die Schwiegermutter verlangte darauf, dass sich ihr Sohn von der sündigen Frau trenne, was diese strikt zurückwies. Ihr Kuss sei «unschuldig und spontan gewesen». Das Paar blieb schliesslich zusammen, die Schwiegermutter zog aus, aber die Geschichten lehren, dass übergrosse Liebe, ob für Kamele oder anderes, einen leicht in Schwierigkeiten bringen kann.

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