Basler Zeitung

02.10.2015

Eine Frage der Moral

Nachrichten aus dem Irrenhaus

Von Eugen Sorg

Die Humboldt-Universität in Berlin hat eine über 200-jährige Geschichte. Sie brachte 29 Nobelpreisträger hervor, und an ihr absolvierten Geistesgrössen wie Arthur Schopenhauer, Karl Marx, Max Weber, Georg Simmel, Max Planck ihre Studien. Die Hochschule durchlebte auch schmachvolle Zeiten. Hitlers Nationalsozialismus und der DDR-Stalinismus bescherten ihr ein halbes Jahrhundert geistige Verödung. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wollte man die einstige intellektuelle Strahlkraft der Humboldt wieder zum Leben erwecken. Dies gelang, zumindest teilweise. Im verkrampften Bemühen, nie mehr Werkzeug totalitärer Systeme zu sein, wurden auch Fächer aufgenommen, die versprachen, Machtkritik zu lehren, in ­Wirklichkeit aber obskure, pseudo­wissenschaftliche Grenzdisziplinen sind. Wie zum Beispiel die Gender Studies.

Diese gehen bekanntlich von der abenteuer­lichen Prämisse aus, dass Geschlecht keine ­bio­logische Tatsache, sondern eine kulturelle Zwangsverordnung sei. Und solches dozieren Lehrkräfte wie Lann Hornscheidt, geborene Antje Hornscheidt, die eines Tages beschloss, nicht mehr Frau, aber auch nicht Mann zu sein, sondern etwas Neutrales, und die verlangt, dass man sie, nein, ihn, nein, es als Professx Hornscheidt anspricht, «eine respektvolle Anrede, die nicht Zwei­geschlechtlichkeit aufruft». Was man in ihren Seminaren sonst noch lernt, vernahm unlängst eine staunende Aussenwelt, als die Fachschafts­initiative Gender Studies eine Erklärung veröffentlichte, in der sie den Ausschluss eines Mitstudierenden begründete. Ein skurriles, hermetisches, sektenhaftes Elaborat, ein «Dokument des Wahnsinns» , das den intellektuellen Ruhm der Humboldt-Universität nicht mehren wird:

«Liebe Student*innen der Gender Studies, liebe Interessierte, Anfang Juli 2015 sah sich die weiss und mehrheitlich cis*-positionierte Fachschaft Gender Studies (FSI) dazu gezwungen, eine weiss und trans*-positionierte Person (R.) auszuschliessen. Im Rahmen seiner_ihrer ­Fachschaftsarbeit kam es zu massiven rassistischen Äusserungen und Handlungen durch R. Dass erstmalig so ein drastischer Schritt, ein ­Ausschluss, nötig ist, möchten wir an dieser Stelle begründen und unsere Entscheidung öffentlich darlegen. Denn ­Rassismus ist keine Privatangelegenheit!

Im Zuge eines Seminars der Gender Studies bei Lann Hornscheidt im Sommersemester 2015 wurde gegen den, von Lann Hornscheidt aus­geübten Rassismus interveniert. Eine beteiligte, cis*-positionierte, PoC (N.) hat nach der Intervention die FSI davon in Kenntnis gesetzt.

R.s Reaktion darauf war in mehrfacher Hinsicht anmassend und diskriminierend. Als weisse Trans*-Person verlangte R. von der WoC spezifische Auskünfte über die Race- und Gender-Positionierungen innerhalb der Interventionsgruppe. Denn schliesslich sei der weisse Raum, in dem interveniert wurde, ein Schutzraum für Trans*-Personen. Somit müsse, als Legitimation, ein_e Trans*Inter*GnC (Gender non Conforming) PoC oder Schwarze_r in die Intervention involviert sein.

Wenn ein_e solche_r nicht gefragt werden könne, müsse letztlich eine weisse Trans+ Inter*GnC Person die Erlaubnis erteilen, in einem ‹weissen Trans* Schutzraum› zu intervenieren, zum Beispiel R. selbst. N. weigerte sich, Auskunft über die Positionierung der Beteiligten zu geben. Die WoC wies R.s uneinsichtiges Beharren auf Antworten und diese Argumentationsweise an sich, als Ausdruck rassistischen Derailings und weissen Dominanz­gebärens entschieden zurück etc.»

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