Basler Zeitung

26.04.2016

Randnotiz

Obamas Rüpeleien

Von Eugen Sorg

Offiziell galt Präsident Obamas dreitägige ­England-Visite dem 90. Geburtstag der Königin. Tatsächlich aber nutzte er den Besuch, um mit sorgfältig orchestrierten Auftritten den ­Briten nahezu­legen, in der epischen Abstimmung vom 23. Juni für den Verbleib ihres Landes in der EU zu votieren. Obama schmeichelte, «wir haben keinen engeren Freund in dieser Welt», und bezeichnete Premier­minister Cameron anbiedernd als seinen «bro», seinen Bruder. Und er drohte: Entschiede sich das Volk aber für den EU-Austritt, den Brexit, dann müsste das Land für künftige Handelsverträge mit den ­ USA «ganz hinten in der Warteschlange anstehen».

Diese Einmischung in die Angelegenheiten der ältesten Demokratie der Welt kam auf der Insel nicht gut an. «Empörend» nannte Boris Johnson, Bürgermeister von London und Brexit-Befürworter, die Intervention des amerikanischen Gastes. Abgesehen davon, dass Letzterer vor nicht allzu langer Zeit bereits Frankreich, Britanniens Erzrivalen, «als engsten Freund und stärksten Alliierten» gelobt hatte, waren Obamas zahlreiche frühere diplomatische Rüpeleien unvergessen. Zum Beispiel, als er am Tag seines Amtsantrittes die wertvolle Bronzebüste Winston Churchills im Oval Office des Weissen Hauses, ein Geschenk der britischen Regierung, an diese zurückspedierte. Oder als er dem damaligen Premier Gordon Brown zuerst fünfmal ein privates Treffen verweigerte, und ihn schliesslich mit einem schäbigen Geschenk verabschiedete: einer DVD-Box mit amerikanischen Filmen, die zudem mit britischen Geräten nicht kompatibel waren. Oder sein stilloses Präsent an die Queen anlässlich eines älteren Besuchs: ein iPod mit ­Bildern und Videos von sich selber. Und kurz zuvor hatte seine Frau Michelle die Königin umarmt – fast eine Majes­tätsbeleidigung, die man sich im saudischen Königshaus nie geleistet hätte.

Nein, der amerikanische Präsident ist kein «Freund», empfanden viele Briten. Und überhaupt. Das britische Empire überdauerte immerhin Jahrhunderte, während in Obamas kurzer Amtszeit das antidemokratische Russland wieder mächtig werden konnte und weite Teile der islamo-arabischen Sphäre sich in Flammen auflösten. «Warum», fragte also der Telegraph, «warum sollten wir den Rat eines Präsidenten annehmen, der die Welt dem Chaos überlassen hat?»

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