Basler Zeitung

24.05.2016

Randnotiz

Von Mensch und Tier

Von Eugen Sorg

Es war nicht schön, was sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte anhören müssen. Er treibe es mit Schafen und Ziegen, wurde er vom deutschen TV-Spassvogel Jan Böhmermann in einem 24-versigen Schmähgedicht in Paarreimen verhöhnt, er konsumiere Kinderpornos und sei überhaupt ein stinkender, brutaler, widerwärtiger Kerl. Der beleidigte oberste Türke erstattete Strafanzeige gegen den Schmähbarden, die deutsche Kanzlerin Merkel schaltete sich ein, nannte das Gedicht «bewusst verletzend», und Böhmermann war da, wo er hinwollte. Die Leitjournalisten, die obersten Politiker, die Experten aus Recht und Kultur, alle redeten sie über seinen vulgären Knittelvers. Im gnadenlosen Kampf um mediale Aufmerksamkeit, um Gehör im Universum des Klamauks hatte der Satiriker einen Etappensieg gewonnen.

Sollten die Verse Erdogan wirklich gekränkt haben, man könnte es sogar ein wenig verstehen. Umso deutlicher aber hätte man ihm zu verstehen geben sollen, dass sein orientalisches Konzept von Ehre und Ausdrucksfreiheit in Europa nicht gilt. Als Machtmuslim und Neosultan vom Bosporus sollte er sich ohnehin zuerst um Sitte und Moral seiner eigenen Glaubensbrüder kümmern. Bei diesen, in der Türkei und im Rest der Umma, der islamischen Grossgemeinschaft, stehen die Dinge nämlich nicht zum Besten.

Die Internet-Suchmaschine Google beispielsweise verrät, dass unter den zehn Ländern, in denen am häufigsten Sex-Seiten aufgerufen ­werden, regelmässig sechs muslimische sind (google trends). Weltweit führend ist das «Land der Reinen», Pakistan, es folgen Ägypten auf Platz 2, Iran, Marokko, Saudi-Arabien und auf dem achten Platz die Türkei. Wenn es um «animal sex» geht, dominieren ebenfalls die Anfragen muslimischer Usern, zuoberst erneut Pakistan, und zwar in allen Kategorien, ob Schwein, Esel, Hund, Pferd, Kuh. Die Türkei ist bei «goat sex» («Ziegen-Sex») zwar nicht unter den Top fünf, dafür aber auf Platz 3 bei «Pferde-Sex». Und auch in der ­Kategorie «child porn» (Kinderpornografie) liegt Erdogans Türkei weit oben auf Platz 2. Seit über zehn Jahren bleiben sich die Zahlen im ­Grossen und Ganzen gleich – ein Rätsel und ein Abgrund zugleich. Erdogan hätte vor der eigenen Haustüre noch viel Schmutz zu wischen.

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