Die Weltwoche

18.07.2019

Eine Frage der Moral

Erfundene Verbrechen

Von Eugen Sorg

Es gibt in den USA unter Präsident Trump keine «Welle des Hasses», wie die Meinungseliten unermüdlich behaupten. Dafür immer mehr inszenierte Übergriffe.

Es war bitterkalt Ende Januar in Chicago, als Jussie Smollett um zwei Uhr morgens Opfer einer bösartigen Attacke wurde. Zwei weisse Männer mit Skimasken und roten Trump-«Maga»-Mützen, gab Smollett der Polizei noch in derselben Nacht zu Protokoll, hätten ihn verprügelt, rassistisch und schwulenfeindlich beschimpft und mit einem Bleichmittel übergossen. Sie hätten ihm eine Schlinge um den Hals gelegt und gedroht: «Dies ist ‹Maga›-Land.»

In den nächsten Tagen war die Story nationales Medienthema. Smollett ist Afroamerikaner, bekennender Schwuler, gehört als Sänger und Schauspieler der erfolgreichen TV-Serie «Empire» zum niederen Hollywood-Adel und war schon vom Celebrity-verliebten Obama zum Gesangsvortrag ins Weisse Haus geladen worden. Bevor die polizeilichen Ermittlungsergebnisse bekannt waren, verurteilten Meinungseliten, Filmprominenz, die Granden der Demokratischen Partei mit unheilschwangerem Pathos den feigen Angriff.

Sie geisselten die Tat als «modern day lynching» (Kamala Harris), warnten, man dürfe «diesem Hass nicht länger einen sicheren Hafen bieten» (Joe Biden), sprachen von einem «schrecklichen Beispiel für die wachsende Feindseligkeit gegenüber Minderheiten in diesem Land» (Bernie Sanders). Und die wenigen Medien, die von einem «möglichen» rassistischen und homophoben Angriff schrieben, wurden abgekanzelt. Eine solche Formulierung würde dem Opfer eine zusätzliche «Wunde» zufügen. «Das ist Amerika, 2019», fasste eine CNN-Moderatorin den Fall apodiktisch zusammen.

Nach wenigen Wochen gab die Polizei ihre Erkenntnisse bekannt. Zwei Dutzend Beamte hatten in Tausenden Arbeitsstunden den Fall rekonstruiert. Die «weissen Schläger», so das Resultat, waren zwei schwarze Bodybuilder. Smollett hatte ihnen 4000 Dollar bezahlt, damit sie den Angriff auf ihn simulierten. Ein Video zeigt die beiden, wie sie in einem Shop jene Trump-Mützen, Skimasken und Handschuhe gekauft hatten, die sie Stunden später beim angeblichen «modern day lynching» trugen. Der Überfall war eine Farce, aufgedeckt von Cops, die mit professionellem Realismus ihre Arbeit machten.

Dieselben Kreise, die zuvor Smolletts Version bedingungslos geglaubt hatten, mahnten nun angesichts der polizeilichen Fakten davor, «vorschnelle Schlüsse zu ziehen». Oder sie räumten, wie ein Kommentator der Washingto n Post, ein, dass Smollett den Vorfall erfunden haben mochte, dieser aber trotzdem wahr sei. Denn er sei «Wirklichkeit für viele Menschen in diesem Land seit dem Amtsantritt von Trump».

Das alarmistische Mantra der linksliberalen Eliten, dass mit dem 45. Präsidenten der USA eine Welle von xenophoben, rassistischen, sexistischen Übergriffen über das Land geschwappt sei, findet jedoch keine statistische Bestätigung. Ein FBI-Report hält zwar fest, dass 2017 im Vergleich zum Vorjahr 17 Prozent mehr «Hassverbrechen» registriert worden seien, 7000 insgesamt. Es sind allerdings auch tausend zusätzliche Polizeistellen ins Meldeverfahren eingebunden worden, was automatisch zu einer höheren Zahl registrierter Fälle führt, aber nichts aussagt über deren reale Zunahme. Und abgesehen von der oft politisch-ideologisch verzerrten Definition eines «Hassverbrechens» sind 7000 Fälle in einem multiethnischen Land von 330 Millionen Einwohnern eine verschwindend kleine Zahl und mitnichten eine «Welle des Hasses».

Zugenommen haben dürften hingegen die falschen Hassverbrechen à la Smollett. Dies meint auf jeden Fall Politikwissenschaftler Wilfred Reilly, der in seinem Buch «Hate Crime Hoax» zum Schluss kommt, dass 15 Prozent aller gemeldeten sogenannten Hassverbrechen von den Opfern selbst inszeniert wurden. Und an den politisch hyperkorrekten Universitäten sollen es gar 50 Prozent sein.

Als Smollett mit den Vorwürfen gegen ihn konfrontiert wurde, antwortete er mit treuherzigem Augenaufschlag: «Wer sollte so etwas erfinden?» Ja, wer? Reporter Andy Ngo von der Publikation Quillette hat Dutzende nachweislich falscher Hassvorfälle zusammengetragen. Von Muslimas, denen angeblich der Schleier vom Kopf gerissen worden sei; von antirassistischen Aktivistinnen, die ihr Auto mit rassistischen Drohungen bemalt hatten; von afroamerikanischen Studentinnen, die vorgaben, von weissen Trump-Anhängern mit Steinen beworfen worden zu sein.

Opfer von Hassern zu sein, bringt Vorteile. Man wird eingehüllt in Mitleid, Aufmerksamkeit, warme Zuneigung. Dem Opfer eröffnet sich zudem die süsse Versuchung, seine Unzulänglichkeiten, seine Niederlagen auf einen Schlag zum Verschwinden zu bringen. Man hat nicht selber Schuld am eigenen Versagen und auch nicht die eigene Gruppe, verheisst das progressive Narrativ, sondern die anderen, die weissen Männer, die Kolonialzeit, die rassistischen Strukturen.

Diese Preisgabe der individuellen Verantwortung führt zu einem moralischen Infantilismus, der unersättlich mehr Schutz und Sonderbehandlung fordert, und zu einem narzisstischen Opferkult, süchtig nach immer neuen Beispielen systematischer Erniedrigung, wenn nötig auch falschen, ohne die die eigene Identität und die mächtige, linkspolitisch instrumentalisierte Opferindustrie nicht aufrechterhalten werden könnten.

Wer diesen Komplex stört, lebt nicht ungefährlich. Vor kurzem wurde Reporter Ngo von linksaktionistischen AntifaAnhängern spitalreif geprügelt. Dies war ein echtes Hassverbrechen.

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