Die Weltwoche

17.10.2019

Eine Frage der Moral

Kalifat der Dummheit

Von Eugen Sorg

Will Europa überleben, muss es wieder stolz werden auf seine Verdienste, auf Renaissance, Aufklärung, Wissenschaft.

Es war wie ein böser Spuk. Vor fünf Jahren, im Juni 2014, rief der bis anhin unbekannte muslimische Gotteskrieger Abu Bakr al-Baghdadi im irakischen Mossul ein Kalifat aus und ernannte sich zum Befehlshaber der Gläubigen und Nachfolger des Propheten Mohammed. Seine aus dem Nichts aufgetauchten frommen Soldaten des Islamischen Staates hatten Millionenstädte im Handstreich eingenommen und ein Gebiet so gross wie Ungarn erobert. Wo sie ihre schwarze Flagge hochzogen, herrschte die unbarmherzige Moral eines archaischen Gottesstaates, der sich strikt an den Vorgaben der heiligen Texte und an der Lebensweise des arabischen Propheten aus dem 7. Jahrhundert orientierte.

In den orientalischen Suks, wo vor kurzem noch Touristen über den Preis von Teppichen oder Lederwaren gefeilscht hatten, wurden nun wie in der goldenen Frühzeit wieder Sklaven feilgeboten, jesidische oder christliche Mädchen und Frauen, Kriegsbeute zur vornehmlich sexuellen Verwendung. Menschen, die man des Unglaubens bezichtigte, wurden ertränkt, auf öffentlichen Plätzen geköpft, gekreuzigt und zur Abschreckung tagelang hängengelassen.

Historisch neu war nicht die Grausamkeit, sondern die stolze Unverhohlenheit, mit der sie zelebriert wurde. Enthauptungen von Journalisten oder Massenerschiessungen von gefangenen Regierungssoldaten wurden als heiliges Ritual inszeniert und gefilmt und die Aufnahmen ins Netz gestellt. Die ganze Welt sollte sehen, was mit denen geschieht, die sich der Wahrheit und Herrlichkeit der Kalifats-Jünger entgegenstellen. Die Botschaft kam an. Zehntausende junge Muslime aus allen Kontinenten, darunter viele aus Europa, eilten herbei und schlossen sich den Glaubensgenossen an. Die Aussicht, nicht nur straflos ihre niedersten Instinkte ausleben zu dürfen, sondern dabei auch einen Akt der Frömmigkeit zu vollziehen, versetzte sie in Hochstimmung.

Die Blutwalze wurde erst mit Donald Trumps Wahl zum neuen US-Präsidenten gestoppt. Dieser räumte den Frontgenerälen mehr Entscheidungskompetenz ein als sie unter seinem pazifistisch angehauchten Vorgänger Obama hatten. Bald eroberte die von den USA angeführte Koalition die Städte zurück und bereitete Ende 2017 dem Kalifat ein Ende.

Der militärische Sieg zerstörte nicht nur den Terrorstaat, sondern auch den die Gotteskrieger beflügelnden Wahn der Unbesiegbarkeit. Parallel zum Aufstieg des Kalifats hatten in Europa die islamischen Anschläge drastisch zugenommen. Nach dem Zusammenbruch ging deren Zahl auf beinahe Null zurück. Den potenziellen Attentätern fehlte die logistische Hilfe, aber auch die kollektive ideologische Hitze und die Bestätigung durch scheinbar unbesiegbare Anführer, die einer braucht, um loszuziehen und wehrlosen Zivilisten ein Blutbad zu bereiten.

Ist der Spuk vorüber? Nicht in Nordafrika, Nigeria, Somalia, Afghanistan und den Philippinen, wo Freischärler des Kalifats weiter im Einsatz stehen. Nicht in den Köpfen jener Millionen unter den weltweit 1,8 Milliarden Muslimen, für die ein Gottesstaat die einzig gerechte Ordnung ist, für deren Sieg, inschallah, Gewalt angewendet werden darf. Auch nicht in Europa, wo in Paris ein radikalmuslimischer Polizist unter Anrufung seines Propheten fünf «ungläubigen» Kollegen den Hals durchschnitt.

So schrecklich der Terrorkrieg ist, die Angreifer können ihn nicht gewinnen. Gegen ihre ungläubigen Feinde sind sie militärisch chancenlos. Auf einem anderen Gebiet allerdings können sie sich mehr Hoffnungen machen. Europa hat mit einer sorglos-naiven Einwanderungspolitik die Möglichkeit seiner eigenen kulturellen Abschaffung vorbereitet. Statt Europäer zu werden, hielten die muslimischen Migranten aus Nahost und Asien an ihrem Glauben und ihren Bräuchen fest. Sie machten mehr Kinder als die Ungläubigen, beschnitten ihre Töchter, verboten ihnen den Umgang mit Jungs, die nicht ihre Brüder waren, bestimmten für sie einen Ehemann aus der Verwandtschaft, bauten Moscheen, legitimierten die Zweit- oder Drittfrau vor einem Scharia-Gericht, irgendwann sahen ganze Stadtteile von London aus wie Rawalpindi, der häufigste Baby-Name in London und Brüssel war nicht mehr George oder Louis, sondern Mohammed, der ehemalige Princeton-Historiker Bernard Lewis konstatierte, dass Europa «spätestens» Ende dieses Jahrhunderts «islamisch» sein werde.

Die sozial-technokratischen Vordenker der Masseneinwanderung waren blind gewesen für die Beharrkraft traditioneller und religiöser Prägungen. Mit dem Islam wurde eine Welt importiert, die sich allen Anforderungen der Moderne verweigert hatte. Fast alle 56 muslimischen Staaten sind Diktaturen, Bürgerkriegsruinen, korrupte Stammesgebilde. Die Bevölkerungen sind ungebildet, das geistig-kulturelle Leben ist trostlos. Für jede Situation gibt es Vorschriften, Rechtsgutachten, Fatwas, die sich auf tausend Jahre alte Fatwas beziehen – ob und wie und in welcher Stellung man sich den Hintern abwischt, wann man in den Krieg ziehen muss. Eine gigantische, sakrale Gefängnisordnung regelt das Leben des Muslims, alle Neugierde, Autonomie, Freiheit erstickend. Die endgültige Antwort auf jede mögliche Frage steht im Koran und in den Hadithen, den Aussprüchen des Propheten. Wer an einzelnen Aussagen zweifelt, stellt den ganzen Glauben in Frage. Er ist ein Ungläubiger und darf getötet werden.

Will Europa diesen vormodernen, barbarischen Spuk überleben, muss es wieder stolz werden auf seine Verdienste. Auf Renaissance, Aufklärung, Wissenschaft. Es muss sich mit jenen Muslimen zusammentun, die unter Polizeischutz leben müssen, weil sie die Courage hatten, die abscheulichen Aspekte ihres Glaubens zu kritisieren.

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