Basler Zeitung

21.06.2016

Randnotiz

Opferseligkeit

Von Eugen Sorg

Das Massaker in einem Schwulenclub im amerikanischen Orlando, wo ein muslimischer Extremist 49 Partygänger exekutiert hat, löste weltweit ­Entsetzen und Anteilnahme aus. Staatschefs übermittelten ihr Beileid, der Papst verdammte mit bewegenden Worten diesen Akt der «mörderischen Tollheit und des sinnlosen Hasses», und auch ­Bundespräsident Schneider-Ammann erfüllte seine diplomatische Pflicht: «Das amerikanische Volk kann sich der Solidarität der Schweiz gewiss sein.»

Sowohl die päpstlich-barocke wie die schweizerisch-nüchterne Kondolenzversion erregten Unmut in Homosexuellenkreisen. Was störte sie? Es sei «bedenklich», kritisierte der Sprecher von Pink Cross, dem schweizerischen Schwulen-Dachverband, «dass der Bundespräsident mit keinem Wort die sexuelle Orientierung der Opfer erwähnte». Orlando sei ein «Hassverbrechen gegen die LGBT-Szene» (Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle) und «wir vermissen ein deutliches Zeichen der ­Solidarität mit den Opfergruppen». Denselben Vorwurf richtete die britische Homo-­Publikation Pink News an den Papst. Dieser habe das «homophobe» Motiv des Attentats unterschlagen.

Die Empfindlichkeit, ob man als exklusiv gefährdete Minderheit auch wirklich anerkannt und bestätigt wird, deutet auf einen gewissen ­Narzissmus der Opferseligkeit hin. Dabei wird übersehen, dass das Gespenst Homophobie heute vor allem in muslimischen Milieus virulent ist. Die Millionen von Migranten haben mit der Ankunft im Westen ihre Einstellungen nicht auf wundersame Weise abgelegt. In ihren Herkunftsländern herrscht seit Jahrhunderten die Scharia, und deren verschiedene Rechtsschulen unterscheiden sich bezüglich der Homosexualität nur in der Art der Strafe: hängen, steinigen, von einem Gebäude stürzen oder auspeitschen. Der Killer von Orlando, ein fanatischer Muslim, konnte sich auf eine geheiligte Tradition der Schwulenerniedrigung berufen.

Anstatt ihren vermeintlichen Opferstatus zu pflegen, würden die Schwulenaktivisten sich besser ihrer realen Bedrohung stellen. Das ist gewiss nicht die westliche, permissive Gesellschaft, nicht ihre gezähmte Kirche. Eine Gefahr für sie und für die ganze Kultur ist ein totalitärer, apokalyptischer Islam, der gerade die arabische Welt umpflügt und längst auf dem Weg nach Europa ist.

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