Basler Zeitung

13.09.2016

Randnotiz

Traurige Tropen

Von Eugen Sorg

Äquatorialguinea ist ein kleines Land in Zentral­afrika und ein weisser Fleck auf der Landkarte des Wissens. Das letzte Mal hörte man etwas von ihm im Jahre 2000 an den Olympischen Spielen in Sidney, als Landsmann Eric Moussambani in der Diszi­plin 100 Meter Freistilschwimmen mit 1:52:72 Minuten die langsamste je gemessene Zeit hinlegte. Die grösste Leistung des Sportlers, der erst drei Monate zuvor von einem Touristen schwimmen gelernt hatte, war es, nicht zu ertrinken, und man nannte ihn fortan «Eric der Aal». Kaum registriert hingegen wurde, als im April dieses Jahres bei den Präsidentschaftswahlen Theodoro Obiang Nguema mit schwindeler­regenden 93,7 Prozent aller ­Stimmen wiedergewählt wurde. Er ist seit 37 Jahren an der Macht, nachdem er 1979 seinen Onkel weggeputscht und hingerichtet hatte. Vizepräsident ist Sohn Theodorin, ein Playboy, der kaum im eigenen Land anzutreffen ist, wo es keine Post gibt, die Stras­sen keinen Namen haben und die Mehrheit der Leute noch immer wie vor 200 Jahren lebt. Lieber kümmert er sich in Malibu oder an der Côte d’Azur um seine Villen, Jachten, Ferraris und Freundinnen und um seine berühmte Sammlung von Michael-­Jackson-Memorabilien. Dass er von amerikanischen und französischen ­Behörden wegen ­Geldwäsche, Unterschlagung, Erpressung, Missbrauch öffentlicher Gelder und so weiter angeklagt wird, dürfte ihn nicht weiter beunruhigen. Ölfunde im Golf von Guinea machten ­Patriarch Obiang zu einem der reichsten Staats­chefs der Welt und seine Angehörigen zu einem Clan von Untouchables. Und damit es so bleibt, dafür sorgt der Alte mit allen Mitteln. Oppositionelle werfen ihm vor, Feinde lebendig zu häuten und deren Hoden und Hirn zu verspeisen. Egal ob dies stimmt oder nicht, Theodoro wird sich hüten, die hässlichen Anschuldigungen zu bestreiten, ebenso wie das Gerücht, er stehe in permanentem Kontakt mit Gott persönlich. Der Nimbus des Schreckens befestigt seine Macht.

Muss man das alles wissen? Nein. Aber es erweitert den Horizont. Die Geschichte der ­unbedeutenden, ehemals spanischen Tropen­kolonie zeigt Abgründe der menschlichen Natur, ist spannend wie ein Roman von Graham Greene und traurig wie das Leben selbst.

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