Das Magazin

24.11.2001

Vielleicht liebt sie mich

Eine Frau aus der Schweiz reist ins Bürgerkriegsland Angola. Sie sucht ihre Mutter. Sie findet sie endlich. Aber dann fragt sie sich, ob die ganze Reise nicht doch ein grosser Fehler war.

Text Eugen Sorg Bilder Luca Zanetti

Für einmal waren sich alle im Hof einig. Odettes Onkel, dessen Frau, die übrigen Verwandten. Zu gefährlich sei es, meinten sie zu Odette, viel zu gefährlich. Eine Verrücktheit. Um diese Zeit dürfe man Adriana draussen nicht mehr suchen gehen. Aber Odette hörte nicht mehr hin. Sie hatte bereits ihre Tasche umgehängt und stiefelte durch das Tor hinaus in die Nacht. Adriana sei am Nachmittag hier gewesen, hatte man ihr berichtet, habe nach ihr gefragt und sei jetzt wahrscheinlich im Kubaner-Haus. Adriana war Odettes Mutter. Odette war aus der Schweiz hergereist, war 6000 Kilometer geflogen, um endlich ihre Mutter kennen zu lernen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als hinterherzueilen.

Vielleicht liebt mich meine Mutter, sagte ich mir, vielleicht braucht sie mich, und ich kann ihr helfen. Das heisst, eigentlich wollte ich unbedingt eine Mutter haben, und ich habe alles dafür getan, sie zu finden. Ich hatte keine Mutter gehabt.

Wir waren erst vor wenigen Stunden, von Angolas Kapitale Luanda herkommend, hier in Saurimo gelandet, einer schmutzigen, gottverlassenen Provinzhauptstadt im nordöstlichen Angola. Der kasachische Pilot mit der Wodkaflasche in Griffnähe hatte die Iljuschin 76, eine schwere russische Cargomaschine, in einer vertikalen Korkenzieherbewegung aus 7000 Metern auf die Piste he-runtergebracht. Die übliche, gradlinige Senklandung ist wegen Abschussgefahr nicht opportun. Angola ist von einem vier Jahrzehnte alten, bestialischen Bürgerkrieg zerrissen. Die Regierung der räuberischen Dos-Santos-Clique beherrscht lediglich die Hauptorte. Das riesige, kaum bewohnte Buschgebiet aber wird von den Unita-Schergen des Rebellenführers Dr. Jonas Savimbi kontrolliert, einem Pol Pot Afrikas, einem «Guerilla-Psychopathen-Killer», wie ihn der Schriftsteller Pedro Rosa Mendes nannte. Die Städte treiben wie insulare Trümmer in einem feindlichen Meer, wie verlotterte schwimmende Aussen-posten, nur über eine Luftbrücke mit der Hauptstadt und der übrigen Welt verbunden, und die meisten ihrer Bewohner gleichen Gefangenen, ausgeliefert den Launen der Soldaten und der Gnade der westlichen Hilfswerke.

Gleich nach meiner Geburt hatte mich Adriana, also meine Mutter, zu meiner Grossmutter gegeben. Und als ich drei war, brachte mich diese zu meinem Vater. Warum er Adriana nicht geheiratet hat, weiss ich nicht genau. Klar, sie war erst 16, aber der Hauptgrund war ziemlich sicher, dass sie schwarz war, eine schwarze Angola- nerin. Und er war Portugiese, Kolonialist, weiss, genau wie seine neue Frau, die mei-ne Stiefmutter wurde.

Odette hatte seit Tagen einen nervösen Magen. Sie hatte Angst vor dem Fliegen. Sie fürchtete sich vor Überfällen. Sie vermutete hinter jeder dunklen Hausecke einen Messermörder. Als sie vor dem Haus des Onkels in eine Regenpfütze trat, riss sie ein Papiertaschentuch aus der Handtasche und rieb sich voller Panik den Fuss ab. Sie hätte sich ja mit irgendetwas anstecken können. Zu Hause in Zürich hatte sie ihre halbe Reisetasche gefüllt mit Pillen und Tinkturen gegen tropische Fieber, Salmonellen, Kopfweh, Bakterien, Käfer, Durchfall, Malaria, Würmer und sonstige Gefahren, deren Namen ich noch nie gehört hatte. Im tiefen Afrika lauerten überall Tod und Verderben.

Die Stiefmutter war anständig mit mir. Aber ihre Familie wollte mich nicht. Warum er diese Schwarze gebracht habe, sagten sie zu meinem Vater, das bringe bloss Probleme. Wenn etwas kaputtging, gab man immer mir die Schuld. Ich bekam viele Schläge und wurde mit sechs in ein katholisches Heim gesteckt. Jedes Mädchen dort bekam eine Puppe. Eines Tages schnitt ich allen Puppen die Köpfe ab. Ich war ein schwieriges Kind, und nach einem Jahr durfte ich wieder nach Hause gehen.

Trotzdem hatte Odette das komfortab-le Zürich verlassen, die schicken Klubs und Bars, die modischen Freundinnen, hatte sich in ein Flugzeug gesetzt und stolperte nun tapfer durch die angolanische Finsternis, die nur durch gelegentliche Feuerchen am Strassenrand oder durch den dünnen Strahl ihrer Taschenlampe etwas durchbrochen wurde. Sie wich Abfallhaufen, offenen Kanalisationslöchern und schlafenden Hunden aus, kurvte um jäh aus der Nacht vor ihr auftauchenden Gestalten herum, sprang vor heranrasenden Landcruisern zur Sei-te, und alle Schrecken und Alpträume schienen vergessen zu sein. Sie hatte nur noch einen Gedanken. Sie wollte Adriana treffen.

Zweimal noch sah ich Mutter. Einmal stand sie draussen vor der Tür. Sie war nicht willkommen, und sie durfte nicht ins Haus eintreten. Ein anderes Mal begegneten wir Adriana auf der Strasse. Stiefmut-ter war aber nicht nett mit ihr, und wir konnten nicht miteinander sprechen. 1975, als ich elf war, gingen wir aus Angola weg. Es war Bürgerkrieg, und wir Portugiesen mussten fliehen. Einen Moment dachte ich, jetzt sehe ich Mutter nie mehr. Aber ich kann mich nicht erinnern, ob ich dabei etwas empfand.

Vor zwei Jahren, sie war gerade 35 Jahre alt geworden, hatte Odette den Wunsch, ihre leibliche Mutter zu sehen, nicht länger mehr zurückdrängen können. Sie wusste aber lediglich deren Vornamen, Adriana, und den Ort in Zentralangola, Kuito, wo diese gelebt und sie zur Welt gebracht hatte. Ein Freund in Zürich gab ihr den Tipp, auf dem Internet zu suchen. Sie stiess schliesslich auf die Website einer Familie da Costa aus Kuito. Da Costa ist der Name von Odettes Vater, Luis da Costa, und wie dieser stammte auch jene Familie ursprünglich aus Portugal. Sie schrieb ein E-Mail an den Betreiber der Website, einen gewissen Fernando da Costa, und erhielt am nächsten Tag eine Antwort. Er lebe zwar seit über 20 Jahren in Australien, schrieb dieser zurück, und sei auch nicht verwandt mit Luis da Costa, ken- ne jedoch dessen Familie vom Hören- sagen. Und er erinnere sich, dass es in dieser «un mestiço», irgendeinen Mischling gebe. Dieser Mischling war Odette.

Nach einem halben Jahr kamen wir in Portugal an. Die Leute kamen und starrten mich an. Wieso er die Schande mitgenommen habe?, fragten alle meinem Vater. Was er ihnen antwortete, weiss ich nicht. Mir aber sagte er: «Hör, die anderen mögen dich nicht, du musst die Beste sein in der Schule.» Ich wurde die Beste. Manchmal kam mir meine Mutter in den Sinn. Zum Beispiel, als mich mein Vater zu einer ande- ren Familie geben wollte. Oder wenn ich sah, wie andere Kinder von ihren Müttern in die Schule begleitet wurden. Dann fühl- te ich mich einsam.

Der Mann teilte ihr eine Telefonnummer in Lissabon mit, wo man ihr weiterhelfen könne, und einige Telefonate später hatte Odette eine Frau am Apparat, die sich als Tante Linda mütterlicherseits vorstellte und ihr mit vollen-deter afrikanischer Höflichkeit versicherte, dass man überglücklich sei, sie endlich gefunden zu haben, dass Adriana in Saurimo lebe und es ihr gut gehe. Kurz darauf besuchte Odette zum ersten Mal ihre unbekannte afrikanische Mutter.

Sie hatte bis anhin nicht viel erzählt, wie diese Begegnung verlaufen war. Aus-ser, dass sie nicht zufrieden gewesen sei mit dem Resultat der Reise. Sie ha- be eigentlich hundert Fragen gehabt, die jedoch fast alle unbeantwortet geblieben seien. Man habe nicht viel Gelegenheit gehabt, miteinander zu sprechen, meinte sie nur, und man sei sich nicht näher gekommen. Vom jetzigen, zweiten Besuch erhoffe sie sich aber eine Klärung. Auffällig war, dass sie von ihrer Mutter nie als Mutter sprach, sondern immer nur von Adriana.

Mein Vater schlug alle seine Kinder, meine zwei Brüder, die Schwester. Aber mich schlug er am meisten. Nach dem Abitur, mit 17, haute ich zu Hause ab. Ich hatte furchtbare Angst vor Vater und kehrte nicht mehr zurück. Zuerst blieb ich in Portugal, später kam ich in die Schweiz, wo ich seit 15 Jahren lebe. Ich arbeitete alles Mög- liche, studierte einige Semester, und in den letzten Jahren war ich Krankenschwester und Kellnerin.

Nach einer Viertelstunde Fussmarsch standen wir plötzlich vor dem Kubaner-Haus. Es war ein fünfstöckiger Block, das höchste Gebäude im Ort, ein Bauskelett ohne Fenster, ohne Türen, ohne Geländer und zum Teil ohne Aussenwände. Bevor das Haus fertig gestellt werden konnte, war Anfang der Neunzigerjahre der Kalte Krieg zu Ende gegangen, und die kubanischen Erbauer hatten Angola wieder verlassen. Die Leute von Saurimo nannten es auch das dreckige Haus, vielleicht wegen der russigen Farbe des Betons. Vor dem Gebäude und in einigen Zimmern brannten Feuer, Menschen hockten darum herum, assen, schwatzten, nuckelten an Flaschen. Die Armen unter den Armen wohnten dort, Gestrandete, Trinker, gänzlich Mittellose. Eingetaucht in das rötlich-violette Licht der Holzfeuer hob sich die Szenerie vom tintendunkeln Nachthimmel ab wie eine kunstvolle Inszenierung, wie eine berückend schön arrangierte Schaubühne des Elends.

Ob Adriana da sei?, fragte Odette eine der Frauen. Nein, heute sei sie noch nicht hier gewesen, kam die Antwort. Und Allegria? Der schon, aber sie wisse nicht, ob er bereits wieder weg sei. Odette wollte im Zimmer nachschauen gehen. Während ein Knabe uns an übel riechenden, offenen Treppenschächten vorbei in die oberen Stockwerke führte, erklärte Odette, Allegria sei der jüngste Sohn Adrianas, also ihr Halbbruder. Sie habe noch drei Halbbrüder, wovon zwei, Domingos und Julio, ebenfalls in Saurimo wohnten. Ein vierter sei schon lange gestorben. Und dann habe sie noch zwei Halbschwestern. Sie wisse nicht genau wieso, aber Adriana habe alle Kinder ausser Allegria weggegeben. Vor sechs Jahren sei sie mit ihm ins Kubaner-Haus gezogen, seit einiger Zeit wohne er aber alleine hier, weil Adriana in eine Hütte im Busch ausserhalb Saurimos gezogen sei und nur noch hier übernachte, wenn sie mal in die Stadt komme. Allegria sei unterdessen 18 oder 19 Jahre alt.

Der Eingang zu Allegrias Zimmer war mit einem Blech verstellt. Er war nicht da. Wir schoben das Blech weg und leuchteten mit der Lampe in den Raum hinein. Auf dem nackten Zementboden lag eine alte Blache, in einer Ecke standen ein Plastiknapf und ein Trinkglas. Mit Kohle und kindlichem Strich wa- ren ein Panzer und ein Helikopter auf die Wand gezeichnet worden, daneben hingen zwei Hemden und eine Jacke an einem Nagel. Allegrias ganzer Besitz. Als wir unten wieder ins Freie traten, trat ein Junge auf uns zu. Es war Allegria.

Wir begaben uns in eine Kneipe in der Nähe, und Allegria bestellte sich eine Cola. Er wirkte schüchtern, beinahe schläfrig, schlug die Augen nieder, wenn man ihn ansah, und lächelte oft abwesend. Er sprach wenig, gab kurze Antworten, und diese so sanft und leise, dass man kaum etwas hörte. Ob er Mutter gesehen habe? Er schüttelte leicht den Kopf. Was er mache?, fragte Odette. Er zuckte mit den Schultern. Warum er nicht arbeite?, fragte sie etwas strenger. Manchmal arbeite er, kam die Antwort. Wie er bloss in einem solchen Haus leben könne? Es gebe keine andere Möglichkeit. Ob er die Schule fertig gemacht habe? Nein. Warum er dann nicht wie sein Bruder Julio als Garimpeiro, als Diamantensucher, in eine der umliegenden Minen arbeiten gehe? Er habe kein Werkzeug. Ob er gerne dort arbeiten würde? Dies liege in Gottes Hand. Ob er ginge, wenn sie ihm das Werkzeug kaufen würde? Ja. Allegria wirkte nicht topmotiviert. Darauf sagte Odette, er solle morgen beim Onkel vorbeikommen, damit sie die Sachen besorgen könnten. Auf dem ganzen Heimweg sprach sie nichts mehr und ging gleich schlafen.

Vor drei Jahren ging es mir sehr schlecht. Das Gefühl, dass mich niemand versteht und dass ich niemanden verstehe, wurde übermächtig. Ich geriet in ein Durcheinander und wurde depressiv. Darauf wollte ich wissen, woher das kommt und wer ich bin. Wenn ich meine Mutter sehen würde, dachte ich mir, würde mir vielleicht aufgehen, warum ich so bin. Vielleicht würde ich dort die passenden Teile finden, die richtigen Anschlüsse.

Dazu kam ein Problem mit meiner portugiesischen Familie. Die Angehörigen der Stiefmutter lebten seit der Flucht aus Angola in Brasilien. Vor vier Jahren kam Grossvater zum ersten Mal wieder nach Portu-gal. Alle gingen zum Flughafen. Auch ich reiste zur Ankunft nach Lissabon. Er kam raus, ich streckte ihm die Hand entgegen, und er lief an mir vorbei, ohne mich an- zuschauen. Mein Bruder fragte: «Warum begrüsst du Odette nicht?» Er antwortete: «Sie gehört nicht zu unserer Familie.» Solche Dinge schmerzen. Es sind wie klei- ne Schnitte ins Herz. Ich sagte mir: Ich brauche euch nicht. Ich habe meine eigene Familie in Angola.

Am nächsten Morgen erwachte Odet-te sehr früh, und sie drängte darauf, dass wir uns unverzüglich zu ihrem Onkel aufmachten. Wir logierten im Haus einer irischen Hilfsorganisation, Odette hatte nicht bei ihren afrikanischen Verwandten wohnen wollen, obwohl sie wusste, dass diese gekränkt sein würden. Sie würde dort aber zu sehr aufgesogen werden, hatte sie gemeint, man würde überhaupt nicht verstehen, dass sie zwischendurch auch mal alleine sein wolle. Wir sassen noch keine zehn Minuten auf der Terrasse des Onkels, da kreuzte Adriana auf. «Willkommen meine Tochter, willkommen», rief sie schon von weitem und steuerte auf Odette zu.

Sie war klein, dürr, schaute aus wie eine energische Siebzigjährige (in Wirklichkeit war sie erst 53), küsste Odette auf beide Wangen und redete dazu ununterbrochen.Und sie hatte eine strenge Alkoholfahne.

«Wie geht es dir», fragte Odette, «du siehst hübsch aus.» Adriana trug ein schlichtes, helles Kleid.

«Gut, dass du gekommen bist», antwortete Adriana und hielt Odette an den Händen, «ich habe vor einigen Wochen von dir geträumt.» Odette strahlte.

«Dein Bruder Domingos heiratet.»

Odette schaute sie fragend an.

«Das kostet Geld. Er braucht einen Anzug. Eine Kiste Fanta. Eine Kiste Bier. Whisky. Zehn Meter Stoff für die Schwiegermutter. Domingos Frau ist 16, sie ist «nova», noch neu, eine Jungfrau, und darum teuer.»

Mit jedem Produkt, das Adriana aufgezählte hatte, war Odette blasser geworden. Man sah, wie sie innerlich förmlich zusammenfiel. Innert Sekunden wechselten sich auf ihrem Gesicht Freude mit Staunen, tiefster Traurigkeit und schliesslich völliger Ausdruckslosigkeit ab. Die Verwandten hatten die Konversation vom Hof aus mitverfolgt. «Lass meine Nichte in Frieden, Adriana», rief der Onkel in scherzendem Tone, und die anderen lachten. Odette schwieg und schaute ins Leere und wirkte sehr einsam. Nach einer Weile raffte sie sich wieder auf. «Wir hatten beide etwas Pech mit diesem Mann», versuchte sie einen Einstieg, «du als Ehefrau und ich als Tochter.» «Aber nein», gab Adriana sofort zurück, «Luis, mein erster Mann, war ein guter Mann.»

Wie sie Vater kennen gelernt habe, wollte Odette wissen. Sie sei jung gewesen, 15, Schülerin in der Missionsschu-le, antwortete Adriana, und die portugiesischen Soldaten seien immer zu den Missionsschulen gekommen, um Mädchen kennen zu lernen. Unter den Mi- litärs sei auch Luis gewesen, und der habe ihr ein Briefchen zukommen lassen. Ein Herz sei eingeklebt gewesen, «Ich liebe dich. Und du?» habe darin gestanden, und darunter zwei Kästchen, die man ankreuzen konnte: «Ja» oder «Nein». «Ich war noch Jungfrau. Luis war mein erster Mann.» Adriana schaukelte lachend hin und her.

«Oh, mein Vater ist romantisch», rief Odette, «ich bin ein Kind der Liebe.» Sie schaute glücklich in die Runde. «Warum», fuhr sie weiter, «hat er dich nicht geheiratet?» «Er hatte noch eine Mulattin, nachdem du geboren warst.» «Und dann?» «Ich ging zum Gericht und klagte den Typen an, dass er mich beschissen und mit einem Kind sitzen gelassen habe.» Adriana musste bei der Erzählung hüpfen und keuchen vor Lachen. Odette schaute nachdenklich und frag- te nach einer Weile: «Und was war mit mir?» «Mit dir habe ich nicht viel Zeit verbracht, nur am Anfang, zum Stil-len.» «Warum?» «Ich war sehr jung, und du warst bei der Grossmutter», sagte sie ungerührt.

Dann plauderte sie über dieses und jenes, und irgendwann verlor sie das In-teresse an einer Fortsetzung des Gesprächs, stand auf und verschwand im Haus. Wieder schien Odette zusammenzusacken, fasste sich aber sofort wieder und kommentierte: «And the life goes on – das Leben geht weiter.» Jetzt war ihr Gesicht bleich und hart.

Es wäre so toll gewesen. Eine Mutter, die vor Freude weint und einem in den Arm nimmt und sagt, mein Kind, wie geht es dir, ich habe dich vermisst, was hast du gemacht in all den Jahren. Eine Mutter, auf die man stolz sein könnte, und die sagt, gut, dass du endlich da bist. Mein Mutterbild war etwas romantisch.

Etwas später folgte sie Adriana ins Haus und setzte sich zu ihr.

«Wie viel trinkst du eigentlich noch?», fragte sie.

«Ich habe aufgehört», antwortete die Mutter.

Zehn Minuten darauf fragte Odette: «Willst du einen Kaffee?»

«Nein, danke.»

«Willst du ein Schlückchen Whisky?»

«Was?»

«Ein Schlückchen Whisky.»

«Wo ist der Whisky?» Adriana hatte sich mit einem Ruck vom Stuhl aufgerichtet und äugte aufmerksam herum. Odette fischte eine Flasche aus einem Gestell und schenkte ihrer Mutter einen Becher ein. «Die Ärmste will es», mein- te sie, als wir anderen missbilligend den Kopf schüttelten, «ich kann es ihr nicht abschlagen.» Darauf genehmigte sie sich ebenfalls einen Schluck.

Jetzt habe ich sie getroffen, und ich könnte nur noch kotzen. Seit Tagen. Nur noch weinen und schreien. Ich bin wie hinter Glas. Ich sehe sie, und sie sieht mich. Aber ich kann sie nicht berühren. Ich möchte das Glas zerschlagen. Sie sieht mich, aber sie weiss nicht, wer ich bin. Es interessiert sie nicht. Sie fragt nichts. Sie will nichts wissen. Ich möchte nach Hause gehen. Sofort. Ich spüre nichts. Ich bin wie tot. Mein Gefühl ist hart und trocken.

Gegen Mittag kam Allegria wie abgemacht vorbei. Zusammen brachen wir zum Markt auf. Odette kaufte für ihren Bruder einen Pickel, ein Sieb und eine Schaufel für die Arbeit in den Diamantenminen. Und weil er behauptete, dass ihm seine Kleider gestohlen worden seien, durfte er sich noch eine neue Garderobe aussuchen. Zielstrebig stellte er sich eine Hip-Hop-Ausrüstung zusammen: rotes Basketballshirt, übergrosse Jeans und Turnschuhe mit Nike-Logo. Darauf verabschiedete er sich. Odette drückte ihm noch diskret 50 Dollar in die Hand. Die solle er seinem Bruder Domingos für dessen Heirat geben. Allegria versprach es.

Wir pflügten uns weiter durch die Marktstände und das Menschengewühl, da blieb Adriana plötzlich stehen und sagte zu Odette: «Das ist Julio, dein anderer Bruder.» Ein jüngerer, leicht verlegen lächelnder Mann mit einem runden Kopf, einem Kinnbärtchen und einem Hut lehnte an einem Fahrrad. Er begrüss-te Odette so selbstverständlich, als hätten sie sich gerade erst heute Morgen das letzte Mal gesehen, wechselte einige Wor-te, meinte dann, er müsse jetzt wieder weiter, aber man werde sich wieder sehen. Einen Augenblick später war er bereits in der Menge verschwunden.

Halb benommen von der Hitze und dem Gerüchecocktail aus faulenden Früchten, Tierblut, Maniokmehl, Urin und Schweiss hatte ich die kurze Begegnung noch kaum realisiert, als sich auch Adriana verabschiedete. Sie gehe ein Huhn und Brennholz kaufen, sagte sie zu Odette, denn sie wolle heute Abend beim Onkel für sie kochen. Odette lächelte gerührt. Dazu brauche sie aber Geld, fuhr Adriana fort. Odette steckte ihr die geforderten Scheine zu, und auch Adriana zog ab. Am Abend warteten wir auf der Terrasse des Onkels auf Adria-na. Als sie nach eineinhalb Stunden noch immer nicht aufgetaucht war, teilte Odette mit, sie gehe zurück zu unserem Haus und verliess ohne Abschied den Hof. Ihr Gesicht war grau.

Es wäre mir lieber, hierherzukommen und vor ihr Kreuz zu knien und zu beten: Gott beschütze die Seele meiner armen Mutter. Eine solche Mutter zu haben, ist schlimmer als keine Mutter zu haben.

Kaum waren wir ein paar Schritte gelaufen, kam ein kleiner Mann direkt auf uns zu. «Odette, Odette», sagte er mit singender, beinahe flehender Stimme und fasste sie bei den Händen, «Odette, meine Schwester, ich habe dich gesucht.» Es war Domingos. Er habe auf dem Markt Adriana und Allegria getroffen und von ihnen erfahren, dass seine Schwester hier sei. Adriana sei sehr betrunken gewesen, meinte er, selber bedenklich schwankend. «Ich weiss», sagte Odette, «du willst heira-ten. Und du willst Geld. Aber ich habe schon deinem Bruder Geld gegeben. Du kannst ihn fragen.» Sie war nicht stehen geblieben, während sie redete. Domingos lief neben ihr her. «Aber ich bin der Älteste.» Seine Stimme verriet Panik. Odette schaute ihn nicht an. «Ich habe dir schon beim letzten Besuch Geld gegeben.» «Aber, Schwester, ich bin der Älteste. Der älteste der Brüder. Du hast einen Fehler gemacht.» Er klang verzweifelt, und seine Stimme überschlug sich beinahe. «Das tut mir Leid. Aber ich gehe jetzt. Viel Glück.» Ohne sich nochmals umzudrehen, stapfte Odette weiter. Domingos blieb fassungslos stehen und wurde bald von der Dunkelheit verschluckt.

Ganz in der Nähe des irischen Hilfswerkes, wo wir wohnten, gab es in der Nacht ein paar Schiessereien. Immer wenn es stark regnete, wie zu jenem Zeitpunkt, nahmen die Einbrüche in der ganzen Stadt sofort zu. Da jedes Lagerhaus und jedes bessere Wohnhaus von bewaffneten Wächtern beschützt wurde und auch die Diebe in der Regel auto-matische Gewehre dabei hatten (Letztere waren nicht selten Militärs oder Polizis-ten), waren Kugelduelle aber nichts Aus-sergewöhnliches. Odette erwachte in Todesangst. «Meine Brüder kommen, um mich umzubringen.» Sie zitterte. «Sie sind wütend, weil ich ihnen kein Geld gegeben habe.» Dann beruhigte sie sich ein wenig. Unser Haus war ebenfalls gut bewacht. Trotzdem musste sie sich in dieser Nacht dreimal übergeben.

Julio kam am folgenden Mittag. Warum er nicht mehr als Garimpeiro, als Diamantensucher, arbeite, fragte ihn Odette als Erstes. Sie hatte ihm bei ihrem ersten Besuch ebenfalls Werkzeug gekauft. Er habe lange in der Mine gearbeitet, antwortete Julio, und gut verdient. Aber dann sei er in Saurimo überfallen worden. Alles habe man ihm geraubt, das Geld, die Hosen, die Schuhe. Wieso, fragte Odette weiter, habe er davor seinen kleinen Bruder Allegria nicht aus dem Kubaner-Haus geholt und ihn un-terstützt? Er habe, behauptete Julio, versucht, Allegria zu beeinflussen, damit dieser in der Schule bleibe. Aber es sei nichts zu machen gewesen. Die Leute würden sogar erzählen, Allegria nehme Drogen. Aber dieser streite es ab.

Dann wollte Odette mehr über seine Kindheit wissen. Er begann zu erzählen, aber es war nicht einfach, ihm zu folgen. Julio redete einschläfernd, fast hypnotisierend, wie eine eiernde Tonbandkassette. Und je länger er redete, desto mehr schien er ohne Anfang und Ende im Kreise herum zu reden. Wie in einer elliptischen Endlosschlaufe drehten sich seine Sätze zunehmend um die Worte «situaçao» und «confusao», Situation und Konfusion. Dabei bewegte er seinen Oberkörper leicht hin und her, und seine rot unterlaufenen Augen versuchten das Gegenüber zu durchdringen. Julio war offensichtlich sternhagelvoll.

Einige harte Informationen liessen sich immerhin aus seinem Vortrag he-rausdestillieren. Er war im Oktober 1976 geboren und wurde schon bald darauf von Adriana zu einer anderen Familie gegeben. 1985, als Neunjähriger, flüchtete er zusammen mit anderen Kindern vor dem Bürgerkrieg nach Zaire. Sie waren drei Monate unterwegs, schliefen im Busch und machten fast die ganze Strecke zu Fuss. All dies hatte er allerdings erst auf genaueres Nachfragen hin erzählt. Zuerst hatte er lediglich nebenbei erwähnt, er sei irgendwann mit Freunden nach Zaire gegangen, so als ob es sich um einen Ferienausflug gehandelt hätte. In Zaire besuchte er in einem Flüchtlingslager ein paar Jahre die Schule, schlug sich weitere Jahre auf den Strassen von Lubumbashi durch und kehrte 1992 wieder nach Angola zurück, um als 16-jähriger Soldat in Savimbis Unita zu dienen. Es blieb unklar, was er dort genau gemacht und was er erlebt hatte. Er sagte nur, dass er mit- machen musste, weil er sonst getötet worden wäre. Und dass er leben wollte und nicht sterben. Seiner Mutter Adriana habe er einmal einen Brief geschrieben, sie habe aber nicht geantwortet. Und später habe er sie gesucht, aber nicht gefunden und erst 1995 wieder getroffen. Julios Lebensgeschichte war wie eine Kurzfassung der unseligen Geschichte des neueren Angola.

Irgendwann hatte er endgültig genug von der Fragerei. «Gott hat alles eingerichtet», beendete er seinen somnambulen Sprechgesang, «das Gute, das Böse. Was wollen wir reden, alles ist vorher- bestimmt, alles ist, wie es ist, wir können nichts beeinflussen.» Er hatte konkretere Probleme. «Siehst du diese Wunde hier?» Er zeigte auf eine Beule an der Stirn. «Was soll ich damit machen? Ich bin krank. Ich kann nicht arbeiten. Und ich brauche Geld für den Doktor.» «Warum nicht gleich», gab sich Odette abgebrüht, klaubte ein paar Dollarscheine hervor und zog sich ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer zurück. Julio blieb noch kurz sitzen, bevor er sich ebenfalls aufmachte.

Ich will auch keine Brücke zu dieser Familie. 37 Jahre und Tausende von Kilometern liegen dazwischen. Ich habe gerne Logik, Rationalität, klassische Musik. Ich bin anders. Ich habe nichts mit diesen Leuten zu tun. Das sind zwei parallele Universen, die aneinander vorbeilaufen ohne Kontakt. Ich habe Angst vor einer emotionalen Verbindung. Sie werden kommen und etwas wollen. Ich bin sonst grosszügig. Es ist so schwierig zu entscheiden. Ein Riesendruck. Gebe ich Geld, bringt es nichts. Es ist gleich wieder weg. Und keiner sagt danke. Sie leben nur für den Moment. Ich bin traurig und kaputt. Alles tut weh (weint).

«Was wollt ihr dort draussen?», wunderte sich der Onkel, als ihm Odette mitgeteilt hatte, sie gehe zu Adrianas Hütte. Was für eine ausgefallene Idee. Er schüttelte den Kopf. «Dort gibt es nichts. Nur Busch, Moskitos und Banditen.» Auf einem Geländewagen fuhren wir durch die armseligen Hüttenquartiere Saurimos, durch Maniok- und Zuckerrohrfelder und Buschlandschaften, bis die Piste aufhörte und wir zu Fuss weitergehen mussten. Die Dämmerung war bereits hereingebrochen. Ein Pfad führte in eine sumpfi- ge Senke hinab, und nach einigen Minuten erreichten wir eine Ansammlung von drei Hütten aus getrocknetem Lehm unter riesigen Bäumen. Drei oder vier alte Frauen hockten auf dem gestampften Boden, ein paar magere Hühner pickten im Abfall herum, ein Hund mit einer offenen Kopfwunde voller Fliegen nagte an einem Knochen, aus einer Feuerstelle quoll Rauch. Eine der Frauen stand auf und kam uns entgegen. Adriana. «Meine Tochter», rief sie stolz, «schaut her, das ist mei-ne Tochter.»

Im Laufe das Abends versuchte Odette immer wieder, Adriana in ein Gespräch zu verwickeln. Aber Adriana blieb nie lange sitzen, rannte hierhin und spazierte dorthin. «Du wolltest für uns kochen, und ich habe dir dafür Geld gegeben. Wir haben beim Onkel gewartet, aber du bist nicht gekommen.» Odette tönte verärgert. «Was war los? Hast du Alkohol gekauft?» Adriana nuschel- te irgendetwas. Sie hatte die glimmen- de Zigarette verkehrt herum im Mund, damit kein Rauch verloren ging. «Mutter», sagte Odette scharf, «nimm die Zigarette aus dem Mund, wenn du mit mir sprichst.» Adriana entfernte sich kurz, kam zurück und sagte: «Warum hast du keinen Wein für uns alte Frauen mitgebracht?»

Unterdessen war es Nacht geworden. Von irgendwoher waren mehr Leute gekommen, einer trommelte, andere sangen, und ein mit Blättern kostümierter Tänzer bewegte sich zu den Rhythmen, geschmeidig, vital, ein schwarzer Satyr. Ein Junge schloss sich ihm an, kon- zentriert und voller Bewegungslust und mit raffinierten Schrittkombinationen, Frauen tänzelten lachend in die Runde, Adriana gesellte sich dazu, sie war überraschend gelenkig und wirkte 30 Jahre jünger. Vielleicht war es Magie oder das magnetische Silberlicht des Mondes oder der selbst gebraute Zuckerrohrschnaps, der einem Tränen in die Augen trieb, im Rachen brannte, als hätte man einen Lötkolben verschluckt, und wie Rohbenzin schmeckte. Aber die ganze Schäbigkeit des Ortes war verschwunden, als hätte ein Zauber die Dinge und Menschen verwandelt. Alle waren plötzlich schön und glücklich, und auch Odette lächelte entspannt. Später legten wir uns vor die Lehmhütten auf den Boden und schliefen ein zum Gequacke der Frösche.

Am Tage vor unserer Abreise erschien Adriana plötzlich im Hause der Hilfsorganisation, wo wir wohnten. Sie war zwei Tage wie vom Erdboden verschluckt gewesen, und Odette hatte sich bereits darauf eingestellt, sie nicht mehr zu sehen. Sie setzten sich auf eine Treppe im Garten.

«Wo bist du gewesen?»

«Ich hatte noch zu tun.»

«Du bist gelernte Krankenschwester. Du könntest wieder im Spital arbeiten.»

«Ich muss vorher noch ein paar Dinge regeln.»

«Man kann sein Leben ändern, wenn man will.»

«Ich bin dran.»

«Du schläfst in einer Hütte am Boden, bist alleine und hast nichts.»

«Das stimmt, ich habe nichts.»

«Warum besuchen dich deine Söhne nicht? Warum kümmern sie sich nicht um dich? Was ist hier los?»

Adriana tat, als hätte sie nicht zugehört. Odette wurde ungeduldig.

«Antworte, warum lassen dich deine Kinder im Stich?»

«Deine Brüder sind Männer. Sie haben eigene Frauen. Sie haben keine Zeit, sich um mich zu kümmern.»

«Du weisst, dass dies nicht stimmt. Ich sage dir, weshalb sie nicht kommen. Du hast alle Kinder ausser Allegria weggegeben. Du warst nie für sie da. Darum sind sie jetzt auch nicht für dich da.»

«Es ist normal, dass man die Kinder der Grossmutter gibt.» Adriana beginnt plötzlich zu lachen. «Und ich war eine schöne junge Frau und hatte keine Zeit zum Aufpassen.» ·

«Ich komme aus einer anderen Welt. Ich verstehe nicht, was man in Afrika macht. Aber ich war eine Ewigkeit weg, und du fragst mich nichts und willst nichts wissen. Ich hatte eine Familie. Ich brauche keine mehr. Aber ich hätte mehr erwartet.»

Adriana legte Odette eine Hand aufs Knie und begann von anderen Dingen zu reden. Sie fragte, wo das Werkzeug sei, das Odette für Allegria gekauft habe. Odette war blass geworden. Sie drehte sich zu Adriana.

«Du sagst, wenn ich deine Tochter sei, müsse ich dir helfen. Erkläre du mir», forderte sie Adriana auf, und ihre Stimme bebte, «erkläre mir: Was ist für dich eine Mutter? Du sagst: Gib Geld, gib Wein. Aber bin ich die Nationalbank? Von dir kommt nichts, rein nichts. Ich bin wütend, Adriana, ich gehe weg. Und ich komme nie wieder.»

Adriana schwieg eine Weile. Ihre Augen schimmerten feucht.

«Du bist meine älteste Tochter», sagte sie dann, «und jetzt redest du so mit mir. Ich werde irgendwann sterben, Odette, und du kommst nicht mehr.»

«Wenn ich dich brauchte, warst du nicht da. Warum soll ich dir etwas geben?»

«Du gibst mir ja nichts.» Adriana dachte kurz nach. «Du hast mir nicht einmal Kinder gemacht.» Beide brachen gleichzeitig in Lachen aus. Darauf erhob sich Adriana und strich sich das Kleid gerade. Sie brauche noch etwas Geld fürs Essen, sagte sie. Und ob sie noch eine Zigarette haben könne. Sie habe keine mehr, antwortete Odette knapp, sie habe ihr schon viele gegeben. Dann küssten sie sich kurz auf die Wangen, und Adriana schritt durch das Tor und lief mit ihren energischen kleinen Schritten die Strasse hinunter und drehte sich kein einziges Mal mehr um.

Ich habe Ekel vor mir selber. Dieses Land und diese Leute sind in mir. Meine Mutter ist eine Verliererin, lebt auf der Strasse, ist eine Alkoholikerin. Ein Teil dieser Misere ist ein Teil von mir. Es ist unter der Haut, in meinen Genen.

Trotzdem bin ich froh, dass ich meine Mutter getroffen habe. Sie war wie ein Geist. Jetzt hat er ein Gesicht. Und ich kann entscheiden, ob ich sie wieder se- hen will.

«Hast du sie auch gesehen», fragte mich Odette am Abend, «die Tränen in den Augen von Adriana? Sie war trau-rig, als ich ihr sagte, dass ich nie mehr komme. Sie hat also doch Gefühle für mich.» Sie hielt inne. «Oder es war bloss der Wind. Oder das Alter. Oder», sie zuckte mit den Schultern, «es war der Schnaps.» ·

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